Grayday
– kilometerlange Plastikschläuche, die die grüne Matte mit einem Gelände an der Küste verbanden, auf dem eine riesige Entsalzungsanlage Meerwasser aus dem Arabischen Golf zu tausend Grad Celsius erhitzte, filterte und täglich 10 Millionen Liter davon hierher pumpte, für den Rasen und die Golfer.
Wie auf allen Golfplätzen ließ die Landschaft an Schottland denken, eine zu universellen Zeichen abstrahierte Umwelterinnerung. Bunker, Fairway, Rough. Diesen bekannten Golfplatzelementen fügten die Masten, entlaubte Silberbirken, die Andeutung eines Waldes hinzu. Auf der einen Seite öffnete sich diese Virtualität und gab raffinierte Durchblicke aufs Meer frei. Auf der anderen stieg sie zu einer Umfriedung auf, die sie vor dem vom Wind herangewehten Sand der Dünen schützte.
Unter seiner Sonnenblende kam Guy sich völlig desorientiert vor.
Abdullah steuerte den Golfcart, als fahre er seinen Lexus, und ließ ihn wie wahnsinnig über die leuchtend grüne Landschaft hüpfen. Der kleine Elektromotor des Wagens gab ein wütendes Winseln von sich. Guy klammerte sich fester an seinen Laptop.
Schon als er von Abdullah auf dem Flughafen abgeholt worden war, hatte er gemerkt, dass es ein schwieriger Auftrag werden würde. Sein Kontaktmann stand unter der Reklametafel eines dubaischen Erschließungsunternehmens: Ziehen Sie mit Ihrer Firma ans Tor zur Welt. 1,5 Milliarden Verbraucher erwarten Sie bei Ihrer Ankunft. Ein Geschäftsstandort mit einer Infrastruktur der Ersten Welt – zu einem Preis der Dritten Welt. Er war ein junger, flaumwangiger Mann, der eine Kopfbedeckung mit schwarzen Bändern und einen weißen Burnus trug, unter dem die Spitzen eines Paars handgenähter Mokassins hervorlugten. Während er unter den Gläsern seiner ölglatten Ray-Ban Wayfarers hervorgrinste, beendete er sein Telefongespräch. Dann ließ er das Handy zurück in eine voluminöse Tasche gleiten und sagte zu Guy, er sei in Dubai willkommen und solle ihm bitte zum Wagen folgen. Er erbot sich nicht, die Reisetaschen tragen zu helfen.
Als sie das Ankunftsgebäude verließen, schlug die Hitze Guy entgegen wie ein harter Gegenstand. Schweiß begann ihm durch die Haut zu sickern und unter dem Hemd am Rücken herunterzurinnen. Abdullah führte ihn über den Parkplatz zu einem schwarzen Wagen, der so groß wie eine Scheune war. In einer Geste der Höflichkeit drehte er die Klimaanlage auf arktische Temperaturen und bog mit kreischenden Reifen auf einen achtspurigen Asphalthighway ein, der ins Nichts zu führen schien.
»Schönes Wetter haben wir«, sagte er geheimnisvoll. Das Thermometer am Armaturenbrett zeigte eine Außentemperatur von 42°C. Vor dem Fenster sauste eine weite rote Sandfläche vorbei. Es waren kaum Autos auf der Straße, aber den wenigen, die zu sehen waren, fuhr Abdullah absichtlich dicht auf. Als der Tacho auf 155 km/h stand, befanden sie sich keinen halben Meter hinter einem Geländewagen mit einem »I love Islam«-Sticker an der Heckscheibe. Abdullah drückte auf die Hupe und blinkte mit den Scheinwerfern, bis er zur Seite fuhr.
»Sie sollten Rallyefahrer werden«, scherzte Guy ängstlich.
»Das ist bereits mein Hobby. Seit zwei Jahren fahre ich Wüstenrennen. Das macht Spaß, bloß bau ich zu oft Totalschaden.«
Um sich von solchen Aussichten abzulenken, spähte Guy durch die graue Tönung der Windschutzscheibe. In der Ferne rückte eine Cityskyline näher, und bald tauchten halb fertige Wolkenkratzer neben der Straße auf, deren Skelette kreuz und quer mit Plastikleinen bespannt waren, an denen die trocknenden dhotis indischer Arbeiter hingen. Gebaut wurde in der ganzen Stadt, und die architektonische Stoßrichtung schien eine Art islamisches Las Vegas zu sein. Riesenhafte Banktürme mit Spitzbögen und Minaretten erhoben sich neben dreißigstöckigen Büroblocks, die mit grüngoldenem Rauchglas verkleidet waren und wie gewaltige Schreibtischgarnituren aus Onyx wirkten. Eines der Gebäude schien an der Spitze einen gigantischen gedellten Golfball zu tragen. Ein anderes zeigte einen Portikus, der wie die Spitze einer Boeing 747 gestaltet war. Das ganze wahnsinnige Durcheinander stieg aus dem Sand empor wie eine Fata Morgana, und selbst als Guy mitten drin war, blieb ihm ein Gefühl des Zweifels. Das hier war die Zukunft, die sich in Mausklickgeschwindigkeit einstellte, CAD/CAM-Entwürfe, die sich vor seinen Augen mit Beton und Stahl überzogen.
Das Hotel war eine Welle aus Glas, die sich an einem künstlichen Strand
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