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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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diffuserer Schmerz. Erst dachte
Archie, es sei das Buch in seinem Hosenbund, das ihm auf die Eingeweide
drückte, aber als er es auf die linke Seite schob, blieb der Schmerz
auf der rechten. Trotzdem klemmte er das Buch unter die Achsel und
konzentrierte sich auf den Jungen, dessen grüne Turnschuhe immer ein
kleines Stück voraus waren, und nach einigen Minuten ließ der Schmerz
nach. Oben lief der Hügel eben aus. Er war dicht von Bäumen bestanden.
Der Junge blickte zu Archie hinauf. »Ich sammle Nester«, sagte er.
    Archie hörte auf, das Laub von seiner feuchten, schlammigen
Hose zu bürsten. »Toll«, sagte er.
    »Vor ein paar Wochen habe ich hier eins gefunden.« Der Junge
klopfte mit der Spitze seines Turnschuhs auf den Boden. »Genau hier.«
    »Schön«, sagte Archie.
    »Mit dem stimmt was nicht.«
    »Mit dem Nest?«, sagte Archie.
    Der Junge sah Archie ernst an, dann setzte er sich wieder im
Schneidersitz, stellte die Essensbox auf seinen Schoß und öffnete sie.
Sie enthielt ein Vogelnest. Der Junge hob es vorsichtig heraus und gab
es Archie.
    Archie nahm es. Die Sonne sank ein wenig tiefer, und es schien
plötzlich sehr kalt im Park zu werden. »Du hast es genau hier
gefunden?«, fragte er ruhig. »An dieser Stelle.«
    Der Junge nickte ernst. »Mit dem stimmt etwas nicht, oder?«
    »Ja«, sagte Archie. Er holte sein Handy hervor und rief Henry
an. Das Buch hatte er immer noch fest unter den Arm geklemmt.
    »Ich bin's«, sagte er. »Ich bin im Forest Park. Lass die
Suchmannschaften hierher anrücken. Und einen Leichenspürhund. Ich
glaube, wir haben noch eine Leiche.«
    Zwischen den vom Waldboden aufgesammelten Zweigen und Ranken
waren in das Nest mehrere Strähnen langen blonden Haars eingeflochten.
    Als Archie wieder aufblickte, war der Junge verschwunden.

_9_
    S usan überlegte, ob sie nach Hause fahren
und Parkbekleidung anziehen sollte: Wanderstiefel, einen Regenmantel,
vielleicht eine Lederhose. Aber sie wollte nicht zu bemüht aussehen.
Deshalb behielt sie einfach das Kapuzenshirt über dem schwarzen Kleid
an. Sie trug Flip-Flops, aber im Kofferraum hatte sie für solche
Gelegenheiten immer ein Paar Turnschuhe liegen. Ein paar teure Stiefel,
die sie sich an einem Tatort ruiniert hatte, hatten genügt, um sie
diese Lektion zu lehren. Jetzt war ihr Kofferraum voller
Reporterausrüstung: Schuhe zum Wechseln, eine wasserdichte Jacke,
Notizbücher, Wasser, ein Sonnenhut, Batterien für ihr Aufnahmegerät und
Tampons für den Notfall. Man konnte nie wissen, wo man landete und für
wie lange.
    Der Verkehr war furchtbar. Es hatte zu regnen begonnen und die
Kanäle flossen über, an jeder Ecke sammelte sich Wasser. Der Verkehr
war immer schlimm, wenn es im Sommer in Portland regnete. Obwohl es
neun Monate im Jahr regnete, waren die Bewohner der Stadt jedes Mal
beunruhigt, wenn es außerhalb der Saison geschah.
    Bliss fand es bezaubernd, aber Bliss fuhr auch nicht Auto. In
Susan weckte es Mordlust.
    Sie brauchte vierzig Minuten, um auf die andere Flussseite und
nach Nordwesten hinaufzukommen. Susan hörte, wie die Leute in einer
Radioshow anriefen und ihre liebevollen Erinnerungen an den Senator zum
Besten gaben. Aber es machte sie nur fuchsteufelswild, deshalb
schaltete sie auf einen alternativen Rocksender um. Doch auch den hatte
sie bereits wieder aufgegeben, als sie ihren alten Saab neben einem
Zivilfahrzeug der Polizei und drei Streifenwagen abstellte. Sie zog die
Kapuze ihres Sweatshirts über das türkise Haar und stieg aus.
    In einem der Streifenwagen saß ein uniformierter Polizist. Er
trug eine Regenjacke, hatte das Innenlicht an und schrieb auf einem
Clipboard. Susan klopfte an sein Fenster.
    Er blickte auf. Seine Regenjacke war nass, und er sah aus, als
wäre er nicht glücklich darüber, dass er hier sein musste. Er ließ das
Fenster einen Zentimeter herunter.
    »Archie Sheridan?«, fragte sie.
    Er zeigte auf den Beginn des Wanderwegs und den dunklen Wald
dahinter. Und dann fuhr er das Fenster wieder hoch.
    »Danke«, sagte Susan. Sie wollte ihn eigentlich fragen, ob er
ihr eine Taschenlampe borgen konnte, aber er schien keine so gute Laune
zu haben.
    Sie steckte die Hände in die Taschen ihres Sweatshirts, zog
ihre Sneakers an und marschierte los. Als sie den Waldrand erreichte,
überlegte sie, ob sie einfach zu ihrem Wagen zurückgehen sollte, nach
Hause fahren und sich ins Bett legen, aber dann dachte sie an Parker
und wie weit er für eine Geschichte gegangen wäre, und sie zog die
Schultern

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