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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Wald gesehen hatte. Sie war Politesse
gewesen, aber vor zwanzig Jahren in Ruhestand gegangen. Sie hatte drei
erwachsene Kinder. Die Polizei hatte den Hund in Gewahrsam genommen,
damit sie seine Hinterlassenschaften überprüfen konnte, denn vielleicht
war es dem pelzigen Ziergarten ja gelungen, den einen oder anderen
Hinweis zu verdauen, während er am Speichenknochen der toten Frau
nagte. Mit diesem Hintergedanken hatten sie auch begonnen, Hundekot aus
dem Garten in Tüten zu packen. Etwa zu dieser Zeit war Susan dann
gegangen.
    Im Gebäude des Herald war um ein Uhr
nachts nicht viel los. Die Bereitschaftskräfte, die geholfen hatten,
die Ausgabe über Lodge und Parker zusammenzustellen, schliefen
inzwischen friedlich. Selbst die Reinigungskräfte waren mit ihrer
Arbeit fertig. Ein Wachmann hatte Susan über die Laderampe eingelassen.
Sie war im Aufzug in den fünften Stock gefahren, wo Ian bereits mit
einem Redakteur, einem Schlagzeilenredakteur, einem Grafiker und einem
Fotoreporter in seinem Büro zusammensaß. Alle sahen müde und ein wenig
gereizt aus. Susan bemühte sich, nicht müde und gereizt auszusehen. Sie
versuchte, fröhlich zu wirken. Sie hatte Ian schon genug verärgert. Und
sie bekam die Molly-Palmer-Geschichte gewiss nicht ins Blatt, indem sie
Ian reizte. Nett zu ihm zu sein, half vielleicht. Es war so verrückt,
dass es funktionieren konnte.
    Sobald Susan mit der Geschichte fertig war, würde man die
Pressen anhalten, eine neue Druckplatte einschieben und den
Druckvorgang anschließend fortsetzen. Sie hätte dann immerhin doch noch
einen Artikel in der Ausgabe über den toten Senator. Nur nicht den, den
sie gern gehabt hätte.
    Susan marschierte auf Ians Büro zu, aber Ian sah sie durch die
Glaswand und hob eine Hand, um sie aufzuhalten. Er zeigte auf seine
Armbanduhr und dann auf Susans Schreibtisch.
    Sie ging gehorsam zu ihrem Schreibtisch und warf ihre
Handtasche auf den Boden, legte ihr Notizbuch neben die Tastatur und
rief Molly Palmer an. Nichts. Wenn Ian die Geschichte bringen sollte,
musste sie hieb- und stichfest sein, dreimal überprüft, bis aufs
i-Tüpfelchen stimmen. Sie hinterließ eine Nachricht. »Im Ernst, Molly.
Sie müssen mich zurückrufen.« Sie wickelte die Telefonschnur um den
Zeigefinger, so fest, dass der Finger rot anzulaufen begann. »Es wird
alles gut. Er ist tot. Lassen Sie uns mit der Sache an die
Öffentlichkeit gehen.« Sie dachte daran, wie die Presse Molly
anschließend sicherlich zusetzen würde. Geschichten sind
Ihnen wichtiger als Menschen, hatte Henry gesagt.
    Susan biss sich auf die Unterlippe.
    »Wenn Sie eine Weile untertauchen wollen, in Ordnung«, sagte
sie ins Telefon. »Aber erst müssen Sie mit ein paar Leuten reden,
okay?« Susan befreite ihren Zeigefinger wieder und legte auf. Es war
ruhig auf dem Stockwerk, nur ein Teil der Lichter brannte, und man
musste sich anstrengen, um bis zur anderen Seite des Raums zu sehen.
Von der Versammlung in Ians Büro abgesehen, war nur noch ein Typ von
der Sportredaktion anwesend, er hatte Kopfhörer auf und hackte etwas in
die Tastatur, was nicht einmal ihn selbst zu interessieren schien.
    Sie begann wie wild zu tippen. Die unbekannte Tote. Die zwei
neuen Leichen. Die Möglichkeit eines Serienmörders im Forest Park. Es
war die Sorte Geschichte, die Parker geliebt hätte. Der Gedanke an ihn
ließ sie mit den Händen über den Tasten innehalten. Sie blickte von
ihrem Monitor auf und sah zu den Lichtern der West Hills hinüber.
    Ihr Blick wanderte zu Parkers Schreibtisch hinüber. Es gab
zwei neue Blumensträuße. Langsam sah er aus wie ein Grab. Susan stand
auf, ging in den Pausenraum und holte eine Glasvase, eine Kaffeekanne
und drei hohe Gläser aus den Küchenschränkchen. Sie füllte sie mit
Wasser und brachte sie nach und nach zu Parkers Schreibtisch. Sie
arrangierte die welkenden Blumen so gut es ging in den Gefäßen, aber
die Stängel waren bereits weich, und die Blumen hingen armselig über
die Ränder ihrer Behelfsvasen.
    Die Blumen ließen sie an Archie Sheridan denken, dessen
Vorgarten in den zehn Tagen seines Verschwindens unter Blumen begraben
gewesen war. Debbie Sheridan hatte ihr einmal erzählt, dass sie seitdem
den Geruch von Blumen nicht mehr ertrug. Sie ließen sie an Tod denken.
    Susan setzte sich in Parkers Schreibtischstuhl, rollte in
kleinen Kreisen umher und versuchte, sich vorzustellen, wie er den
Artikel über die Morde im Forest Park geschrieben hätte, als sie mit
dem Knie gegen Parkers

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