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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Hälfte?«
    »Es gibt ein Feuer oben bei Sisters«, sagte Ian. »Das ist der
Hauptartikel.«
    Sie nahm zwei Treppenstufen auf einmal. »Drei Leichen«, sagte
sie aufgebracht. »Wie kann das nicht der Aufmacher sein? Und wen
interessiert ein Feuer in Central Oregon?«
    »So kann nur jemand reden, der kein Ferienhaus dort oben hat«,
sagte Ian und schnaubte verächtlich. »Und du weißt nicht, ob die
Leichen zusammenhängen«, fügte er an. »Und sie sind niemand.«
    Insekten flogen gegen die gelben Laternen entlang der Treppe.
Wahrscheinlich verbrachten sie ihren gesamten Lebenszyklus auf diese
Weise, dachte Susan. Wieder und wieder gegen das Gitter über den
Leuchtkörpern zu klatschen. »Niemand?«, sagte sie.
    Ian klang gelangweilt. »Es heißt, das erste Mädchen war eine
Prostituierte. Die anderen beiden wahrscheinlich ebenfalls. Oder
Obdachlose. Das interessiert niemanden, Susan. Tote Politiker steigern
die Auflage. Tote Nutten nicht.«
    »Lodge war ein Sexualtäter«, erinnerte Susan. Sie versuchte,
eisern entschlossen zu klingen.
    »Wir bringen diese Geschichte nicht, während der ganze
Bundesstaat um ihn trauert.«
    Manchmal wusste Susan nicht mehr, warum sie überhaupt mit Ian
geschlafen hatte. »Du bist ein Heuchler, Ian«, sagte sie.
    Ian ging nicht darauf ein. »Da ich dich gerade am Telefon
habe«, sagte er, »die Faktenprüfer kriegen Molly Palmer nicht ans
Telefon. Ständig meldet sich nur die Mailbox. Hast du noch eine andere
Nummer von ihr?«
    Susans Magen zog sich zusammen. »Sie ist Stripperin, Ian. Sie
hat ihr Handy nicht bei sich, wenn sie nackt ist.« Sie merkte sich vor,
Molly aufzustöbern, ehe ihre Sprunghaftigkeit Susan noch um den Artikel
brachte.
    »Ich lege jetzt auf«, sagte Ian.
    Die Leitung war tot. Susan steckte das Handy in die Tasche
zurück und stöhnte frustriert. So viel dazu, Ian bei Laune zu halten.
    »Man nennt es ›hochriskante Lebensweise‹«, sagte Henry. Er
hatte am Ende der Treppe kehrtgemacht und wartete auf sie.
    »Was?«, sagte Susan und joggte die letzten Stufen hinauf. Sie
beugte sich vor, um Atem zu schöpfen. Ihre Turnschuhe waren voller
Schlamm. Es waren nicht die ersten, die sie sich in diesem Job ruiniert
hatte …
    »Prostituierte«, sagte Henry. »Süchtige. Obdachlose. Eine
›hochriskante Lebensweise‹. Deshalb suchen wir ein paar Tage lang
intensiv nach dem Täter, wenn einem von ihnen eine Gabel in den Hals
gestochen wurde, und dann wenden wir uns wieder den wichtigeren Fällen
zu, bei denen College-Absolventen beteiligt sind.« Er ging weiter, die
Straße hinauf. »Wissen Sie, wie viele schwarze Bandenmitglieder und
Nutten ums Leben kommen, ohne dass es Ihrer Zeitung mehr als eine Zeile
wert ist?«
    »Was ist mit Heather Gerber?«, fragte Susan und zerrte ihr
Notizbuch aus der Tasche, während sie zu ihm aufschloss. Heather war
Gretchens erstes Opfer gewesen. Eine Ausreißerin. Ein Straßenkind. Eine
Prostituierte. Sie hatten sie ebenfalls tot im Park gefunden. Der Herald hatte doch sicherlich Artikel über sie gebracht.
    Henry steckte die Hände in die Taschen und ging schneller. Der
Gehsteig war nass, und seine Schuhe patschten durch das stehende
Wasser. »Ihrer Zeitung hätte Heather Gerber nicht gleichgültiger sein
können, bis Archie die Verbindung zu den anderen Leichen herstellte und
alle erkannten, dass da ein Serienmörder frei herumlief. Bis dahin war
sie nur irgendeine unbekannte Tote gewesen. Dann brachte Parker eine
Story über sie. Die Pflegeeltern der Kleinen lasen es. Wie sich
herausstellte, war sie seit über einem Jahr verschwunden gewesen, und
sie hatten es nicht einmal gemeldet. Sie haben einfach nur weiter die
Schecks kassiert. Wissen Sie, wer ihr Begräbnis bezahlt hat?«
    »Nein.« Der Gehsteig führte bergan. Die Straße verlief
parallel zum Rand des Parks, und die Häuser stießen an den Wald. Man
durfte jetzt nicht mehr so nahe am Park bauen, aber die Häuser hier
waren alt. Die Lichter über den Türen ließen große Holzveranden sehen,
mit Schaukelstühlen und Geranientöpfen. Die Luft roch nach Brombeeren.
    »Archie hat es bezahlt.« Wie zur Erklärung fügte er an: »Sie
war sein erster Mordfall.«
    »Der Fall ist offiziell noch nicht gelöst, oder?«, fragte
Susan.
    »Gretchen war es«, sagte Henry. »Sie hat es nur noch nicht
zugegeben.«
    Ein Kombi parkte ein Stück weiter vorn an der Straße, ein Mann
in sportlicher Kleidung lud zwei große Hunde aus und machte sich für
sein abendliches Jogging in Richtung Park auf.

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