Grazie
Aktenschublade stieß. Jeder Schreibtisch besaß
eine. Sie waren immer abgesperrt. Susan bewahrte ihren Schlüssel unter
einem Becher voller Kugelschreiber auf. Das hatte sie von Parker
gelernt.
Sie hob die Tasse mit den Bleistiften an, die auf Parkers
Schreibtisch stand, und ein kleiner silberner Schlüssel kam zum
Vorschein. Dann steckte sie den Schlüssel in die Schublade mit der
Hängeregistratur. Sie ging auf. Im vorderen Teil der Registratur hingen
prallvolle Ordner mit Namen, die Susan Geschichten zuordnen konnte,
über die Parker berichtet hatte. Sie wanderte mit den Fingern über die
Akten, bis sie zu einem großen schwarzen Ordner kam, der ganz hinten in
die Schublade gestopft worden war. Er trug ein Etikett auf dem Rücken,
darauf standen in Parkers schiefer Handschrift die Worte Beauty
Killer.
Bingo.
Sie zog den Ordner heraus, verschloss die Schublade und legte
den Schlüssel wieder unter die Tasse. Als sie zu ihrem Schreibtisch
zurückkam, steckte Ian gerade den Kopf aus seinem Büro und rief: »Ich
würde heute Nacht gern noch ein wenig schlafen.«
»Bin so gut wie fertig«, sagte Susan. Sie schob den Ordner
neben ihre Handtasche unter den Schreibtisch und stellte einen Fuß
darauf. Ihr Gesicht war gerötet vor Aufregung, aber es war dunkel, und
sie glaubte nicht, dass Ian es sehen konnte.
_13_
A rchie wusste noch immer nicht, ob er sich
von Sarah Rosenberg behandeln ließ, weil er ihre Hilfe brauchte, oder
weil er einen Vorwand suchte, in dem Raum zu sitzen, in dem Gretchen
Lowell ihn unter Drogen gesetzt und gefangen genommen hatte.
Es war sein Montagmorgenritual. Keine Sonntage mehr im
Staatsgefängnis bei Gretchen, dafür saß er jeden Montag eine Stunde vor
ihrem großen Schreibtisch. In einem ihrer Polsterstühle. Er sah auf
ihre Standuhr, die nach wie vor bei halb vier verharrte. Er blickte
durch die schweren grünen Samtvorhänge auf die Kirschbäume mit den
grünen Blättern vor ihrem Fenster.
Nur dass nichts davon Gretchen gehörte. Sie hatte das Haus
unter falschem Namen von einer Psychologin gemietet, die ein paar
Monate in Italien verbracht hatte. Es war der letzte Ort gewesen, an
den die Polizei Archie hatte zurückverfolgen können. Doch bis dahin
hatte ihn Gretchen bereits in ein anderes Haus gebracht. Die
Psychologin, Dr. Sarah Rosenberg, war mit ihrer Familie zurückgekommen;
der Teppich, auf den Archie seinen mit Drogen versetzten Kaffee
verschüttet hatte, war durch einen neuen ersetzt worden.
»Ich möchte heute über Gretchen Lowell sprechen«, sagte
Rosenberg.
Es war ihre vierte Sitzung. Und die erste, in der sie Gretchen
erwähnte. Archie hatte sie für ihre Zurückhaltung bewundert. Er trank
einen kleinen Schluck aus dem Pappbecher mit Kaffee, den er auf der
Armlehne des Sessels festhielt. »Okay«, sagte er. Es war warm und
angenehm, und er fühlte sich gut, gerade high genug, dass er sich
entspannen konnte, aber nicht so high, dass es Rosenberg auffallen
würde.
Rosenberg lächelte. Sie war gertenschlank, mit dunklem
Lockenhaar, das sie als lockeren Pferdeschwanz trug, vielleicht ein
bisschen älter als Archie, wobei er wahrscheinlich jemandem, der sie
beide schätzen musste, als der Ältere erschienen wäre. Er mochte sie.
Sie war besser als der Polizeipsychologe, zu dem er ein halbes Jahr
lang gegangen war. Andererseits fühlte sich Archie aus irgendwelchen
Gründen immer wohler, wenn er mit Frauen sprach.
»Ich möchte über die sechs Wochen sprechen, in der sie
Gretchen kannten, bevor sie ihre wahre Identität enthüllte.«
Das war etwas, worüber man bei der Polizei nicht gerne
sprach – der Umstand, dass Gretchen ihre Ermittlungen so lange
vorher infiltriert hatte, ehe sie sich selbst zu erkennen gab. Es ließ
die Strafverfolger nicht übermäßig aufgeweckt erscheinen. Archie
seufzte und sah an Rosenberg vorbei aus dem Fenster. »Sie tauchte eines
Tages einfach auf«, sagte er. »Sie sagte, sie sei Psychiaterin. Sie
führte eine Reihe von Gruppenberatungen durch. Ich besprach mich auch
wegen des Täterprofils mit ihr.« Er rieb sich den Nacken und lächelte.
Kaffeeduft stieg aus seinem Becher auf. Er hatte den Kaffee
mitgebracht, weil er sonst manchmal glaubte, immer noch den Flieder zu
riechen. »Sie schien ein paar Einsichten zu haben«, sagte er.
Rosenberg saß in dem anderen gestreiften Sessel, in dem
Gretchen immer Platz genommen hatte. Sie schlug die Beine übereinander
und beugte sich vor. »Zum Beispiel?«, fragte sie.
Ein Eichhörnchen sauste
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