Grazie
an einem der Kirschbäume hinauf und
ließ die Blätter zittern. Archie trank noch einen Schluck Kaffee und
stellte den Becher dann auf die Armlehne. »Sie war die Erste, die den
Gedanken ins Spiel brachte, der Mörder könnte eine Frau sein«, sagte er.
Rosenberg hatte einen Schreibblock auf den Knien und notierte
sich etwas. Sie trug eine schwarze Hose, einen grünen Rollkragenpulli
und gelbe Socken im gleichen Ton wie der Schreibblock. »Wie haben Sie
darauf reagiert?«, fragte sie.
Archie bemerkte, dass sein linkes Bein rastlos auf und ab
hüpfte. Er presste die Ferse auf den Boden. »Wir hatten so ziemlich
alles andere erschöpft«, sagte er.
»Hat sie Einzelberatung angeboten?«, fragte Rosenberg.
»Ja«, sagte Archie.
»Hat sie Sie beraten?«
Er zog die Pillendose langsam aus der Tasche und hielt sie in
der geschlossenen Hand auf dem Schoß. »Ja.«
»Nur Sie?«
»Ja.« Falls Rosenberg die Dose bemerkte, sagte sie nichts.
»Worüber haben Sie beide gesprochen?«, fragte sie.
»Über das Gleiche wie Sie und ich«, sagte Archie. »Meine
Arbeit.« In Wirklichkeit war er offener gegenüber Gretchen gewesen. Er
hatte ihr alles erzählt. Welche Belastung die Ermittlung für ihn
darstellte. Welchen Druck sie auf seine Beziehung zu Debbie ausübte.
»Über meine Ehe.«
Rosenberg zog eine Augenbraue hoch. »Es muss sehr verstörend
gewesen sein, als Sie erkannten, dass Sie alle diese persönlichen
Gedanken einer Mörderin erzählt hatten.«
Sehr verstörend. So konnte man es auch nennen. Das Komische
war, dass es damals nett gewesen war, jemanden zu haben, mit dem er
reden konnte. Zu schade nur, dass sie zum Spaß Leute in Stücke schnitt.
»Sie war eine gute Zuhörerin«, sagte Archie.
»Sie haben also mehr Zeit mit ihr verbracht als die anderen?«,
sagte Rosenberg und hielt den Stift über ihrem Notizbuch in der Schwebe.
»Ja«, sagte Archie. »Ich denke schon.«
»Wo hatten Sie Ihre Sitzungen?«, fragte sie.
Archie hob die Hand und schwenkte sie im Kreis. »Hier drin.«
Rosenberg sah sich in ihrem häuslichen Arbeitszimmer um. »Das
ist sehr ungewöhnlich. Dass sie Sie zu sich nach Hause kommen ließ.«
»Wieso?«, fragte Archie. »Sie tun es doch auch.«
»Ich bin Psychologin«, sagte Rosenberg. »Sie sagte, sie sei
Psychiaterin.« Sie schüttelte den Kopf und schrieb etwas in ihren Block.
»Sie war in Wirklichkeit ja auch keine«, erinnerte Archie.
Rosenberg sah von ihrem Block auf. »Hatten Sie sie je in
Verdacht?«, fragte sie.
Das Bein legte wieder los. Archie machte sich nicht die Mühe,
es zu stoppen. Es tat gut, ein Ventil für die nervöse Energie.
Er hob seinen Kaffeebecher hoch, trank aber nicht. »Etwa ab
dem Zeitpunkt, an dem das Medikament, das sie mir in den Kaffee gerührt
hatte, zu wirken begann«, sagte er. Er stellte den Kaffeebecher auf den
Fußboden und öffnete die Pillendose auf seinem Schoß, entnahm ihr eine
Tablette und schluckte sie.
»Was war das?«, fragte Rosenberg.
»Ein Atembonbon«, sagte Archie.
Rosenberg lächelte. »Ich weiß nicht, ob Sie die schlucken
sollten.«
Archie erwiderte ihr Lächeln. »Ich war hungrig.«
Rosenberg beugte sich vor. »Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn
Sie nicht aufrichtig zu mir sind.«
Archie blickte auf seine Hände hinab. Manchmal meinte er, die
schwache Linie noch sehen zu können, wo der Ehering gewesen war. »Ich
denke manchmal an sie«, sagte er leise.
»An Gretchen Lowell«, sagte Rosenberg.
Archie blickte auf. »Ich fantasiere davon, sie zu ficken«,
sagte er.
Rosenberg legte den Stift weg. »Sie hat Sie zehn Tage lang
gefangen gehalten«, sagte sie. »Sie waren machtlos. Vielleicht sind
Ihre Fantasien ein Weg, Macht über sie auszuüben.«
»Es ist also vollkommen gesund«, sagte Archie.
»Es ist verständlich«, erwiderte Rosenberg. »Ich habe nicht
gesagt, dass es gesund ist.« Sie streckte die Hand aus und legte sie
auf Archies Unterarm. Sie trug Ringe an allen Fingern. »Wollen Sie das
alles hinter sich lassen? Mit den Tabletten aufhören? Verarbeiten, was
Ihnen widerfahren ist? Wieder glücklich mit Ihrer Familie
zusammenleben?«
»Ja«, sagte Archie.
»Dann haben Sie den ersten Schritt schon getan.«
Archie rieb sich den Nacken. »Und wie viele sind es noch?«
Rosenberg lächelte. »Einer weniger.«
Fünf Vicodin lagen aufgereiht auf Archies
Büroschreibtisch. Archie fegte sie in seine Hand und spülte sie mit dem
Rest des kalten Kaffees hinunter, den er von seiner Sitzung bei
Rosenberg übrig
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