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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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ihr auf der anderen Seite des Mittelgangs
Platz nehmen. Er trug einen schwarzen Anzug, glänzende schwarze Schuhe
und hatte den Arm um seine Exfrau gelegt, die ein ärmelloses schwarzes
Kleid trug, das ihre schlanken, braun gebrannten Arme zur Geltung
brachte. Sein Sohn hatte einen grauen Anzug an, und das kleine Mädchen
ein graues Schnürkleid. Sie sahen aus wie eine Fotoseite zum Thema:
›Was trägt man zur Beerdigung?‹
    Susan sah an ihrer eigenen Aufmachung hinab. Sie sah aus, als
arbeitete sie in einem Steakhaus.
    Howard Jenkins, der Herausgeber des Herald hielt
die Trauerrede. Einige der älteren Reporter der Zeitung sprachen. Es
waren nicht mehr viele übrig. Den meisten über fünfzigjährigen
Angestellten des Herald hatte man Abfindungen
angeboten, wenn sie vorzeitig in den Ruhestand gingen, damit der
Zeitungsverlag bei den Rentenzahlungen sparen konnte.
    Parker war eine Institution. Parker war Reporter
durch und durch. Parker war einer, der Skandale aufdeckte, ein Held der
Stadt, ein Kämpfer für die Notleidenden, ein Meister seines Fach, ein
Juwel, Angestellter des Jahres …
    Es war alles ein fürchterlicher Bockmist. Susan stand auf,
quetschte sich an vierzig Knien vorbei und ging so schnell sie konnte
zur Tür, die Treppe hinunter und hinaus aus der Kirche.
    Der alte Steinbau hatte einen Vorhof, über den man zu den
Blocks am Park gelangte. Dort waren ein paar Tische mit flatterndem
rosa Tischtuch für den Empfang nach der Zeremonie aufgestellt. Es gab
eine große, silberne Kaffeekanne und eine Glasschale mit Fruchtpunsch.
Mehrere Teller mit gefüllten Eiern vertrockneten in der Sonne. Und
Whiskeyflaschen standen in Fünferreihen bereit. Susan lächelte.
    Auf der anderen Straßenseite, im Park, strömten Leute vorbei.
Mittäglicher Verkehr verstopfte die Straße. Susans Hände zitterten.
    Archie Sheridan erschien in der Tür, aus der sie gerade
geflohen war. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Susan wandte verlegen den Kopf ab und wühlte in ihrer
Handtasche. »Ich brauchte nur eine Zigarette«, sagte sie und fischte
die gelbe Packung heraus.
    Archie stieg die steinerne Treppe hinunter und lehnte sich an
die Kirchenmauer, während sie nach dem Feuerzeug suchte.
    »Parker war betrunken, als er von der Brücke fuhr«, sagte er.
»Sie veröffentlichen es morgen.«
    Susan hielt das Feuerzeug ans Ende ihrer Zigarette. Es hatte
natürlich herauskommen müssen, aber es tat ihr trotzdem leid. »Parker
war immer betrunken«, sagte sie. »Das wissen Sie doch.« Sie ließ das
Feuerzeug in ihre Handtasche fallen. »Er war Alkoholiker.«
    Archie steckte die Hände in die Taschen und blickte auf das
Kopfsteinpflaster. »Er hatte zwei Komma vier Promille, Susan.«
    In der Kirche begann eine Orgel zu spielen: »When the Saints
Go Marching In.« Susan hatte nicht einmal gewusst, dass Parker religiös
gewesen war.
    Sie schüttelte den Kopf. Das war Schwachsinn. Sie konnten die
Sache nicht Parker in die Schuhe schieben. Es ging um Lodge. Er war das
Raubtier, das Arschloch, der Perverse; Parker war ein Opfer. »Was ist
mit Lodge?«, fragte sie. »Er hätte trotzdem ins Lenkrad greifen können.«
    »Den Laborwerten nach war Lodge clean«, sagte Archie. »Für
Selbstmordimpulse gibt es keinen Test.«
    Die Orgelmusik schwoll an, als die Seitentür der Kirche
aufging. Ein paar Leute spazierten die Treppe herunter in den Kirchhof.
Dann noch ein paar. Susan sah, wie sie zu den gefüllten Eiern
schlenderten und zu essen anfingen. Eine Frau in den Sechzigern kam zu
Archie, und er küsste sie auf die Wange.
    »Margery«, sagte er. »Es tut mir so leid.«
    Es war Parkers Frau. Susan hatte sie nie kennengelernt, aber
sie hatte sie zusammen mit ihren beiden Töchtern, die in den Dreißigern
waren, in der Kirche gesehen und zwei und zwei zusammengezählt. Parker
hatte gesagt, seine Töchter würden genau wie seine Frau aussehen, und
es stimmte. Sie hatten alle drei dichtes Haar, einen langen Hals und
eine aufrechte Haltung, und ihre Augen huschten unter einem schweren
Pony hin und her. Margerys Haar war silbern, das ihrer Töchter braun.
    Margery wischte sich einen Klecks von dem gefüllten Ei vom
Mund. »Es ist nett von Ihnen, dass Sie gekommen sind«, sagte sie zu
Archie. Sie umarmte ihn, nachdem sie zuerst ihren dicken Zopf hinter
die Schulter platziert hatte. Dann lächelte sie Susan an. Sie hatte
blaue Augen, wie Parker, und ihre blasse Haut ließ sie zusammen mit dem
gänzlich weißen Haar fast wie ein Albino aussehen.
    »Sie

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