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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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dicken Gläsern.
    »Ben und Sara Sheridan?«, fragte Archie.
    Sie wies mit einem Kopfnicken auf eine Tür, die mit ›Direktor‹
beschriftet war.
    Archie erreichte die Tür genau in dem Moment, in dem sie
geöffnet wurde. Er hatte Direktor Hill nur einmal bei einer Spendengala
getroffen. Er war ein Schwarzer, Mitte vierzig. Man hatte ihn aus
Philadelphia rekrutiert, und alle waren ganz aus dem Häuschen gewesen,
weil er einmal ein Jahr lang in einem hochklassigen Baseballteam
gespielt hatte. Er kam mit einem schweren, hölzernen Schläger in der
Hand an die Tür. Den anderen Arm hatte er um Saras Schulter gelegt. Ben
stand neben ihr.
    Archie sank in die Knie, und beide Kinder flogen in seine Arme.
    »Was zum Teufel ist eigentlich los?«, fragte Direktor Hill und
ließ die Spitze seines Schlägers auf den Teppich sinken.
    Archie drückte die Kinder an sich, atmete den Duft ihrer Haare
ein, schmeckte ihre Haut mit seinen Küssen. »Alles ist gut«, sagte er
zu ihnen. »Jetzt ist alles gut, ich verspreche es.«
    Aus dem Augenwinkel sah er den Baseballschläger zu Boden
fallen, und als er aufblickte, hob Direktor Hill beide Hände und trat
einen Schritt zurück, die Augen auf einen Punkt hinter Archie gerichtet.
    Archie hörte die Waffe einen Sekundenbruchteil, bevor sie ihm
in den Nacken gedrückt wurde. Ein einzelnes metallisches Klicken. Das
Geräusch einer Halbautomatik, die entsichert wird.
    »Kinder loslassen«, befahl eine Stimme. »Sofort.«

_24_
    D ie Sonnenwärme fühlte sich gut an.
    Seltsam, dass sie das angesichts der Umstände bemerkte, dachte
Susan. Aber so war das in Oregon, es regnete die meiste Zeit, und wenn
die Sonne herauskam, bemerkte man es. Gretchen Lowell war auf freiem
Fuß. Archie Sheridans Kinder waren in Gefahr. Und sie erlebte einen
sonnigen Augenblick.
    Sie konnte ohnehin nichts tun. Die Schule war von Polizei
umstellt. Susan zählte fünf Feuerwehrautos. Dachten sie etwa, das
Schulhaus könnte in Flammen aufgehen?
    Susan hatte Claire aus den Augen verloren. Die Polizistin
hatte Susan bei ihrem Eintreffen im Wagen zurückgelassen, und ohne
Polizeieskorte kam sie nicht einmal in die Nähe der Schule. Da war sie
als erste Reporterin am Schauplatz und kam nicht nur nicht näher an das
Geschehen heran, sondern hatte außerdem noch ihren Kugelschreiber
vergessen.
    Also saß sie auf der Motorhaube von Claires Wagen und
kritzelte mit einem Eyeliner Notizen. Die Morgensonne war riesig und
eidottergelb. Sie schrieb es in ihr Notizbuch. »Eidottergelb.«
Unterstrich es.
    Sie spähte mit zusammengekniffenen Augen zur Schule. Vor fünf
Minuten war das Sondereinsatzkommando in das Gebäude gestürmt. Sie
waren schon eine Weile drin. Fünf Minuten waren eine lange Zeit, wenn
man ein Gebäude beobachtete. Susans Magen zog sich vor Nervosität
zusammen. Sie sah einen schwergewichtigen Mann in einer Uniform der
Polizei von Hillsboro auf der anderen Seite der Absperrung vorbeigehen
und rutschte mit ihrem Notizblock von der Motorhaube.
    »Hallo!«, rief sie. »Susan Ward vom Herald. Was
geht da drinnen vor sich?«
    Der Polizist ging rasch weiter, ohne ihr auch nur den sonst
üblichen verächtlichen Blick zuzuwerfen.
    Inzwischen trafen Fernsehteams ein.
    Charlene Wood sprang vom Beifahrersitz des Channel-8-Wagens
und steckte ihr Revier für die Live-Berichterstattung ab. Sie war groß
und dünn, mit Beinen, die wie Klavierfüße aussahen und schwarzem Haar,
das sie immer seitlich gescheitelt trug und das sich bis unter die
Schultern lockte. Alle mochten Charlene. Ian behauptete, sie habe ihn
einmal auf einer Party des Senders geküsst, aber Susan glaubte ihm
nicht.
    Ein Angehöriger des Sondereinsatzkommandos trabte mit einem
Funkgerät in jeder Hand vorbei.
    »Susan Ward«, rief ihm Susan zu. »Oregon Herald. Können
Sie mir sagen, was sich da drinnen tut?«
    Er sah sie direkt an und ging in Richtung der Befehlszentrale
weiter, die die Polizei vor der Schule eingerichtet hatte.
    Susans Handy läutete. Sie sah auf das Display. Es war Ian. Zum
vierten Mal in zehn Minuten. Er würde nicht glücklich sein.
    »Hast du irgendwas?«, sagte er. »Wir brauchen ein Update für
die Website.«
    »Das Sondereinsatzkommando ist eingetroffen«, sagte Susan.
»Sie sind in der Schule.«
    »Ich weiß«, sagte Ian. »Charlene Wood erzählt es live auf
Channel 8. Sonst etwas?«
    »Das gibt's doch nicht«, sagte Susan und schielte zu Charlene
hinüber, die live vor der Kommandozentrale sendete. Ihre Pianobeine
steckten in

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