Grazie
Recherchen zu der
Molly-Palmer-Story, nach irgendjemandem, der sich verdächtig benommen
hatte. Mehr als hundert Leute hatte sie während der letzten Monate
interviewt. Und ehrlich gesagt, jeder Einzelne von ihnen hatte sich
verdächtig verhalten. Und einer ganz besonders. Ein Typ aus der
High-School, der einen von Lodges Söhnen kannte. Es war an der Zeit,
ihm mal wieder einen Besuch abzustatten.
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A rchie saß am Ende von Gretchens Bett und
hatte die Füße auf den Boden gestellt. Die Matratze war fest, die graue
Satinzudecke glatt unter seinen Händen. Die Gewölbedecken des
Schlafzimmers ließen den Raum sehr groß und aus dem Lot geraten
erscheinen. Archie war schwindlig von der Perspektive.
Gretchen zog sich aus. Sie tat es ohne viel Aufhebens, als
wäre es etwas, das sie oft zusammen taten, als wären sie schon immer
ein Liebespaar gewesen. Nachdem sie ihre Sachen ordentlich über einen
Stuhl neben dem Schrank gefaltet hatte, drehte sie sich nackt zu ihm um.
Archie spürte alles Blut in seine untere Körperhälfte
rauschen. Sie war voll blauer Flecken von dem Angriff, Blutergüsse um
Rippen und Bauch, das linke Schlüsselbein war wund und geschwollen. Und
dennoch war sie schön. Wenn sonst nichts, schuf ein Gefängnisaufenthalt
Zeit für regelmäßige Fitnessübungen, und Gretchen war schlank und
durchtrainiert. Man erhielt ein solches Gesicht und einen solchen
Körper allerdings nicht ohne den perfekten genetischen Mix. Die DNA,
die sie zu einem Ungeheuer gemacht hatte, hatte sie auch zu einer
Schönheit gemacht. Vielleicht wäre sie ohne den Mix, der ihr dieses
vollkommene Profil verliehen hatte, ein anderer Mensch geworden, ein
guter Mensch.
Der Ventilator an der Decke lief und warf Schatten auf ihr
Gesicht, auf den Teppich. In Archies peripherem Gesichtsfeld verschwamm
alles.
Gretchen tappte barfuß zu ihm, nahm sein Gesicht in ihre Hände
und sah ihn an. Ihre Knie berührten sich. Er krallte die Hände in den
glatten Satinstoff.
Sie senkte den Kopf und sah ihn kokett an. »Soll ich dir
wehtun?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Archie.
Sie neigte den Kopf und lächelte. »Willst du mir wehtun?«
Archie seufzte. »Nein.«
»Was willst du dann?«, fragte sie.
Er hob die Hände vom Bett und legte sie an ihre Hüften. Das
Licht im Raum war schwach, aber er sah, wie sie von seiner Berührung
eine Gänsehaut bekam. »Erlösung«, sagte er. »Und davon abgesehen
Zerstreuung.«
»Mit Zerstreuung könnte ich dir vielleicht dienlich sein«,
sagte Gretchen. Sie beugte sich herab und küsste ihn leicht auf die
Wange, noch immer hielt sie sein Gesicht in beiden Händen. »Du weißt,
dass ich zu menschlichen Gefühlen fähig bin.«
Er wollte ihr gern glauben. Er wollte glauben, dass es etwas
Echtes zwischen ihnen gab, eine kaputte, kranke Verbindung.
Er zog sie an sich, sie legte ihre Hände in seinen Nacken, und
sie küssten sich erneut. Ihr nackter Körper in seinen Armen war beinahe
mehr, als Archie aushalten konnte.
Er räusperte sich.
»Du schmeckst süß«, sagte er.
»Das bin nicht ich«, sagte sie. »Das bist du. Dein Körper wird
nicht mehr entgiftet, wie es der Fall sein müsste.«
»Zieh mich aus«, sagte er.
Er hielt eine Hand in die Höhe, und sie knöpfte die Manschette
auf. Dann hielt er ihr das andere Handgelenk hin, und sie öffnete auch
die zweite Manschette. Danach machte sie sich an die acht Knöpfe, die
das Hemd zusammenhielten. Sie arbeitete nur nach Gefühl, ohne den
Augenkontakt mit ihm zu lösen. Als das Hemd geöffnet war, streifte sie
es von seinen Schultern und hielt es noch einen Moment, ehe sie es auf
den Teppich fallen ließ.
Ihre Augen blieben auf ihn gerichtet, während sie ihm das
Unterhemd aus der Hose zog. Er streckte die Arme in die Höhe, sie
befreite ihn von dem Unterhemd und warf es ebenfalls auf den Boden.
Ihr Blick richtete sich sofort auf seine Brust. Er sah ihre
Augen über seine Narben wandern, dem Schaden nachspüren, den sie ihm
angetan hatte. Seine Haut war ein Minenfeld. Selbst Krankenschwestern
mussten sich zusammenreißen, wenn sie es das erste Mal sahen. Nicht so
Gretchen. Ihr Gesicht strahlte vor Wertschätzung. Sie betrachtete es
wie einen Picasso.
»Welche magst du am liebsten«, fragte sie und meinte seine
Narben.
Archie konnte es nicht glauben. »Ich hätte Angst, deine
Gefühle zu verletzen, wenn ich es sagen würde.«
»Ich mag das Herz«, sagte Gretchen. Sie berührte die
Herznarbe, fuhr mit den Fingern über ihre Kurven. »Es ist eins
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