Gregor Bd. 5 - Gregor und das Schwert des Kriegers
flüsterte: »Du bist geblieben.«
Er zuckte die Achseln, als wäre das nichts Besonderes. Und im Augenblick war es das auch nicht. Er war zu froh, dass sie am Leben war und dass er endlich mit ihr allein sein konnte, um darüber nachzudenken, was ihn die Entscheidung, zu bleiben, kostete. Es hätte ihm vollkommen genügt, die fünf Minuten einfach nur so dazustehen, aber schon nach weniger als einer Minute kam der Arzt zurück und winkte ihn zur Tür.
Gregor ging hinaus und wollte widersprechen, aber der Arzt ließ ihm keine Chance.
»Überländer, man verlangt erneut nach dir im Codezimmer. Sie sagen, es gibt dort einen Notfall mit deiner Schwester.«
9. Kapitel
G regor zog sich nicht einmal um, er rannte sofort los. Das Wort »Notfall« gebrauchten die Unterländer nicht leichtfertig. Was war passiert? War Boots gefallen und hatte sich verletzt? Oder hatte sie sich an etwas verschluckt? Aber warum hatte man sie dann nicht direkt ins Krankenhaus gebracht? Oder war es eine andere Art Notfall? Er hatte ja gemerkt, dass sie die Geduld der anderen Code-Tüftler überstrapaziert hatte. Hatte einer von ihnen ihr etwas angetan? Vielleicht war Ripred zurückgekommen und hatte sie ganz schlimm erschreckt. Der Kakerlak und die Fledermaus hatten ihr bestimmt nichts getan. Und die Maus war so schwach, dass sie sich kaum bewegen konnte. Aber die grüne Spinne! Vielleicht hatte sie Boots in ihrem Netz gefangen. Den Spinnen gegenüber war Gregor immer noch etwas misstrauisch. Mit Grausen erinnerte er sich daran, wie er damals in ihrem Gebiet gewesen war und gedacht hatte, sie würden ihn zum Abendessen verspeisen.
Während er den schmalen Flur entlangrannte, trat er aufetwas Glitschiges. Blut. Jemand hatte geblutet und eine Spur bis zur Tür hinterlassen. »Boots!«, schrie er. Wenn sie ihr etwas angetan hatten, wenn sie ihr auch nur ein Haar gekrümmt hatten …
Boots kam in den Flur gestürmt. »Gre-go! Gre-go!«, rief sie außer sich.
Er hob sie hoch, fuhr ihr mit der Hand durch die Locken und suchte nach Verletzungen. »Was ist los? Alles in Ordnung? Hat dir jemand wehgetan?«
»Nein, mir geht es gut. Da drin! Da drin!« Boots zog an seinem T-Shirt, damit er ins Zimmer hineinging. Jetzt war Gregor völlig verwirrt, aber er gehorchte. Und da saß zusammengekauert auf dem Steinfußboden seine andere Schwester, Lizzie.
»Oh nein«, sagte Gregor. Er hatte keine Ahnung, wie sie hierhergekommen war und warum. Aber er wusste, dass jetzt nicht der richtige Moment war, um Fragen zu stellen. Zwar schien auch Lizzie nicht zu bluten, aber sie litt, denn sie hatte eine ihrer Panikattacken. Sie keuchte, zitterte wie Espenlaub und ihre Handflächen waren schweißnass. Sein Vater hatte Gregor erklärt, wie das kam. Jeder Mensch trägt die Anlage zu einer Kampf- oder Fluchtreaktion in sich. Gerät man in Gefahr, wird diese Reaktion ausgelöst und Adrenalin durch den Körper gepumpt. Das hilft dabei, entweder gegen den Feind zu kämpfen oder blitzschnell wegzurennen. Gregor überlegte, dass er wohl auch eine Art Panikattacke gehabt hatte, als ihm im Museum klar geworden war, was die Prophezeiung der Zeit für ihn bereithielt. Das war ja auch sehr heftig. Bei Lizzie bedurfte es nicht viel, um diese Reaktion in Gang zu setzen. Manchmal bekam sie ohne ersichtlichen Grund eine Panikattacke. Dann hatte siefurchtbare Angst, obwohl es niemanden gab, gegen den sie hätte kämpfen oder vor dem sie hätte weglaufen müssen.
Diesmal aber gab es eine reale Gefahr. Die bloße Vorstellung, ins Unterland zu reisen, hatte Lizzie immer schon in Angst und Schrecken versetzt. Und jetzt war sie tatsächlich hier, in einem Raum voller riesiger, furchterregender Wesen. Sie taten nichts, um sie zu ängstigen. Die Maus, die Spinne und die Fledermaus hockten in ihren Kammern. Die Kakerlake hatte sich ganz in ihre Nische verkrochen und die Vorhänge zugezogen. Temp war geblieben, weil er Boots niemals alleingelassen hätte, aber er kauerte unter dem Tisch. Nur Nerissa war in Lizzies Nähe, sie versuchte sie zu beruhigen, doch sie sah selbst aus, als stünde sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
Gregor setzte Boots ab und ging zu Lizzie. »Von wem stammt das Blut?«, fragte er Nerissa.
»Von Hermes. Er flog sie aus dem Überland her. Sie wurden von Nagern überfallen und eine Kralle hat ihn erwischt. Sie ist nicht verletzt, doch wir können sie nicht beruhigen«, sagte Nerissa.
»Ja, ich weiß. Das hat sie manchmal«, sagte Gregor. Er setzte sich
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