Gregor und der Fluch des Unterlandes
kommen. Er fegte den Aschedunst in die Richtung der Mäuse, und Gregor hatte zum ersten Mal seit Stunden das Gefühl, frische Luft zu atmen.
»Seht nur, jetzt unternehmen die Huscher etwas«, sagte Howard.
Die Mäuse hatten ihre anfängliche Panik überwunden und sich offenbar einen Fluchtplan überlegt. Sie hatten sich an der hinteren Wand der Grube aufgestellt. Unten standen mehrere Mäuse in einer Reihe. Weitere Mäuse kamen herbei und kletterten schnell auf sie drauf. Im Nu erhob sich eine Pyramide.
»Gute Idee«, sagte Gregor. »Eine Pyramide.«
»Nein, das ist das gleichschenklige Dreieck«, sagte Cartesian.
Gregor sah ihn an. Zum ersten Mal, seit Cartesian bei ihnen war, schien er bei klarem Verstand zu sein. »Was ist das denn?«, fragte Gregor.
»Es ist keine richtige Pyramide, denn es hat nur drei Ecken, nicht vier. Sie versuchen eher, ein zweidimensionales Dreieck nachzubilden«, sagte Cartesian.
»Aha«, sagte Gregor. Er dachte, alles, wobei mehrere Leute übereinanderstehen, sei eine Pyramide, aber er wollte darüber nicht mit Cartesian streiten, vor allem, nachdem er so viel durchgemacht hatte.
»Leute, ich habe einen Plan. Lasst uns damit arbeiten«, sagte Ripred. »Sie brauchen jemanden, der den Weg verteidigt, falls die Nager durchkommen.«
»Dann tun wir das«, sagte Luxa.
»Einverstanden. Temp, du passt auf die Jungen auf. Die anderen steigen auf«, sagte Ripred.
Gregor wollte schon auf Ares springen, als Ripred ihn zurückhielt. »Nein, ich werde ihn brauchen, um zu dem Weg zu kommen. Flieg mit jemand anders und wechsle zu Ares, wenn er mich abgeworfen hat.«
»Komm, Gregor«, sagte Howard. Er reichte Gregor die Hand und zog ihn hinter sich auf Nike.
»Warten wir lieber, bis der Felsen sich bewegt. So haben wir genug Zeit, um zu dem Weg zu gelangen, ohne dass die Nager uns vorzeitig bemerken«, sagte Luxa.
»Gut. Sehr gut. Jetzt gebrauchst du deinen Verstand«, sagte Ripred. »Alle warten, wie sie gesagt hat.«
Sie saßen da und schauten zu, alle angespannt und bereit zum Abflug.
Jetzt war die Mäusepyramide fast am oberen Rand der Grube angelangt. Bald konnten die Mäuse sich befreien. Der Felsen bewegte sich noch immer nicht.
»Wenn Lava austreten würde, gäbe es dann vorher eine Warnung?«, fragte Howard.
»Ich glaube, im Allgemeinen ist vorher ein Donnern zu hören, irgendein Geräusch jedenfalls«, sagte Ripred. »Aber so genau kenne ich mich auch nicht aus.«
Die ersten Huscher kletterten jetzt über den Rand der Grube. Der Fluchtplan funktionierte.
»Vielleicht kommen die Ratten gar nicht wieder«, sagteGregor. »Vielleicht haben sie nicht gedacht, dass die Mäuse da rauskommen.«
Jetzt schickten die Mäuse ihre Jungen hinaus. Sie versuchten, sie als Erstes zu retten. Als fünf Kleine oben angekommen waren, brachten zwei ausgewachsene Mäuse sie, so schnell es ging, von der Grube weg. Keine Ratten kamen, um einzugreifen.
Gregor und die anderen saßen im Tunnel und schauten zu.
Dann brach Luxa das Schweigen. »Irgendwas stimmt da nicht. Warum lassen die Nager das zu?«
»Das würden sie nie tun«, sagte Ripred. Er schwieg einen Moment. »Es sei denn, sie glauben, dass etwas anderes die Arbeit für sie erledigt.«
»Aber da ist doch keine Lava. Der Vulkan bricht ja nicht aus«, sagte Gregor.
Plötzlich wackelte Temp mit den Fühlern und trippelte aufgeregt herum. »Nicht Lava ist es, nicht Lava«, sagte er.
»Was ist, Temp? Was ist los?«, fragte Gregor. Eins hatte er inzwischen gelernt: Wenn Temp besorgt war, gab es immer einen guten Grund.
»Nicht Lava ist es, es ist …« Temp kannte kein Wort dafür. Er brach ab und schnalzte aufgeregt.
»Was sagt er, Hazard?«, fragte Gregor.
»Ich weiß nicht. Es ist unlogisch. Ich glaube, er sagt, dass der Vulkan atmet«, sagte Hazard.
Boots blies die Backen auf und pustete Gregor ins Gesicht. »So. So atmet er.« Sie blies wieder. »Wie aus einem Luftballon.«
»Die Huscher! Irgendetwas passiert mit ihnen!«, sagte Howard.
Gregor kniff die Augen zusammen, um auf die Entfernung etwas zu erkennen. Erst schaute er zu dem Felsen, um zu sehen, ob die Ratten ihn zur Seite geschoben hatten, aber er stand unverrückt da. Er schaute zu den Mäusen. Sie sahen nicht so aus, als ob ihnen etwas fehlte. Dann fiel eine Maus von der Spitze der Pyramide. Dann eine zweite. Und dann brach die ganze Pyramide in sich zusammen.
Alle Mäuse, die noch in der Grube waren, lagen jetzt in einem Haufen übereinander. Aber sie waren nicht tot.
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