Gregor und der Schlüssel zur Macht
den Mund weit genug zu öffnen, um »Nein« zu sagen.
Sie schwebten über dem Wasser, bis sie außerhalb des Strudels waren. Dann waren sie in den Wellen, wobei sie teils im Wasser traten, teils die Schwimmweste benutzten, um sich über Wasser zu halten, während die anderen sie ins Boot zogen. Als Gregor wieder Boden unter den Füßen hatte, ließ er die Ratte los.
Dann lagen sie nebeneinander, keuchend und Wasser spuckend. Für Gregor war das besonders unangenehm, denn seine Zähne steckten immer noch in der Taschenlampe. Von dem Ruck, mit dem sie aus dem Strudel gezogen worden waren, taten ihm die Rippen weh. Hoffentlich waren sie nur geprellt und nicht gebrochen. Auf jeden Fall war der Schmerz verschwindend gering im Vergleich zu dem Schmerz im Arm. Die Strömung hatte den Verband abgerissen, und Gregor konnte den Arm in seiner ganzen Pracht sehen. Der Unterarm war übel geschwollen. Die Wunden von den Saugnäpfen sahen ekelhaft aus, sie hatten sich lila verfärbt, und leuchtend grüner Eiter trat aus. Es brannte wie Feuer.
Howard war bei ihm, half ihm, die Taschenlampe herauszuziehen, und legte sie auf den Boden. Gregor fiel etwas Lustiges ein. Als Mrs Cormaci ihm die Taschenlampe geschenkt hatte, hatte sie betont, dass sie wasserdicht war. Das stand sogar auf einem kleinen Aufkleber unten am Griff. Damals hatte er das albern gefunden – wozu sollte eine wasserdichte Taschenlampe gut sein? Jetzt wusste er es.
Gregor biss die Zähne zusammen, als Howard die Wunden säuberte, eine kühlende Salbe auftrug und einen neuen Verband anlegte.
»Das kommt ein bisschen spät, ich weiß«, sagte Howard. »Aber versuche, die Wunden trocken zu halten.« In seinem Blick war etwas, das Gregor an Howards Großvater Vikus erinnerte. Ein eigenartiges Zwinkern, während der Gesichtsausdruck ansonsten ernst blieb.
Gregor konnte ein Lachen nicht unterdrücken. »Ja, mach ich.«
Howard rubbelte Twitchtip ab und wickelte sie in Decken ein. Sie war zu erschöpft, um zu widersprechen, als er ihr ein Fläschchen Medizin ins Maul schüttete. Fast augenblicklich schlief sie ein.
»Kommt sie durch?«, fragte Gregor.
»Ja. Wir müssen sie warm halten. Durch das kalte Wasser hat sie einen Schock erlitten. Doch sie ist eine Kämpfernatur«, sagte Howard anerkennend.
Boots kam und steckte Gregor einen Keks in den Mund. »Du nass.«
»Ja«, sagte er, und die Krümel spritzten ihm aus dem Mund.
»Boots schwimmen? Wir schwimmen gehen?«, fragte sie hoffnungsvoll. Gregor war froh, dass sie nicht über den Bootsrand schauen konnte. Sie hatte nichts gesehen.
»Nee. Es ist zu kalt«, sagte Gregor. »Ich hab’s grad getestet, es ist zu kalt, Boots.«
Boots biss einen zweiten Keks an und steckte ihm den Rest in den Mund. »Gestern? Wir schwimmen gestern?« Die Zeiten gerieten bei ihr immer durcheinander. Gestern, heute, morgen, später, vorher – all diese Begriffe benutzte sie für so ziemlich alles, was nicht jetzt in diesem Moment war.
»Vielleicht, wenn wir wieder zu Hause sind. Und wenn es warm wird. Dann gehen wir zusammen ins Schwimmbad, ja?«, sagte Gregor.
»Ja-a!«, sagte Boots. Sie schlug ihm auf die Brust. »Du nass.«
Gregor zog sich trockene Sachen an und wickelte sich in eine Decke. Die Stiefel musste er erst mal ausziehen. Sie waren zwar wasserdicht, aber nicht in einem Strudel.
Das Boot war jetzt rappelvoll, zu dreizehnt saßen sie darin. Irgendwie hatte jeder einen Platz gefunden, aber es war eng.
Luxa saß neben Gregor. »Hier. Ich habe dir ein Sandwich gemacht«, sagte sie.
Er schaute auf das unförmige Etwas von einem Roastbeef-Sandwich. Auf der letzten Reise hatte er ihr beigebracht, Sandwiches zu machen. »Danke«, sagte er, rührte es jedoch nicht an.
»Sei nicht zornig auf uns, Gregor. Die Nager haben Mareth und mir mehr genommen, als du ahnst. Es fällt uns schwer, etwas aufs Spiel zu setzen, um einen von ihnen zu retten. Selbst wenn er uns nützlich ist«, sagte Luxa.
» Sie . Twitchtip ist eine Sie . Und ihr hat man auch übel mitgespielt. Die Ratten haben sie ausgestoßen, weil sie eine Duftseherin ist, und sie hat ganz allein im Land des Todes gelebt«, sagte Gregor.
»Wirklich?«, sagte Luxa. »Davon wusste ich nichts.«
»Wie auch, es redet ja keiner mit ihr!«, sagte Gregor und hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen. Auch er hatte nicht mit ihr geredet. Er hatte nicht im selben Boot sitzen wollen wie sie. Aber immerhin war er ins Wasser gesprungen und hatte sie gerettet. »Aber sie ist
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