Gregor und der Schlüssel zur Macht
dessen Geruch ihr übel wurde? Sie musste völlig ausgehungert sein. Nach all den Jahren allein im Land des Todes sehnte sie sich verzweifelt danach, irgendein warmes Lebewesen zu berühren. Zur Not sogar ihn.
Er nahm die Schuld sofort auf sich. »Oh, tut mir leid. Ich muss im Schlaf zu dir rübergerollt sein.«
»Lässt sich kaum vermeiden«, sagte Twitchtip. »Bei der Enge hier im Boot.«
»Ja«, sagte Gregor. Er schaute sich um. Mareth war hinten am Steuer. Andromeda stand neben ihm und hielt Wache. Photos Glimm-Glimm hockte auf dem Bug und wechselte gelegentlich die Farbe seines Hinterteils. Alle anderen schliefen tief und fest.
Gregor erwog, sich wieder hinzulegen, aber er fühlte sich zu wach. Außerdem war dies vielleicht eine gute Gelegenheit, sich mit der Ratte zu unterhalten. Er überlegte noch, wie er sie in ein Gespräch verwickeln könnte, als sie selbst den Anfang machte.
»Ich weiß, dass du sie überredet hast, mich zu retten«, sagte Twitchtip.
»Na ja, ich hab die Sache sozusagen in die Hand genommen«, sagte Gregor. Sie musste ja nicht unbedingt erfahren, wie bereitwillig die anderen sie ihrem Schicksal überlassen hätten.
Aber sie wusste es ohnehin. »Ripred hatte Recht. Er sagte, ich könnte dich nicht mit anderen Menschen auf eine Stufe stellen.«
»Das ist interessant. Ich glaub nämlich, Vikus hat mir damals etwas ganz Ähnliches über Ripred gesagt.« Das Thema war Gregor unangenehm. »Wie lange hast du denn allein gelebt?«
»Drei oder vier Jahre«, sagte Twitchtip.
»Wieso haben die anderen Ratten dich verstoßen? Ich meine, Riechen steht bei euch doch so hoch im Kurs, da müsstest du eigentlich eine Berühmtheit sein«, sagte Gregor.
»Das war ich auch eine Zeit lang, in gewisser Weise. Aber als sie merkten, dass ich ihre Geheimnisse erschnüffeln konnte, wollten sie mich nicht mehr in ihrer Nähe haben«, sagte Twitchtip. »Deine kann ich auch riechen.«
»Meine Geheimnisse? Was sollte das sein?«, fragte Gregor. Er überlegte, was er für Geheimnisse haben könnte. Früher war das Verschwinden seines Vaters eine Art Geheimnis gewesen, jedenfalls etwas, worüber er nicht gern sprach. Aber das war vorbei. Jetzt war das Unterland natürlich ein Geheimnis. Aber nur im Überland. Wovon redete sie also?
Twitchtip sprach so leise, dass Gregor sie kaum verstehen konnte. »Ich weiß, was passiert, wenn du kämpfst.«
Gregor war verblüfft. Doch sie hatte Recht, das war ein Geheimnis. Er hatte niemandem davon erzählt, dass er sich, sobald er anfing das Schwert zu schwingen, an nichts mehr erinnern konnte. Aber er ließ sich nichts anmerken. »Was passiert denn, wenn ich kämpfe?«, fragte er unbeteiligt.
»Du kannst nicht mehr aufhören. Du verströmst dabei einen Geruch. Ich habe ihn bisher erst ein- oder zweimal gerochen. Wir Nager haben einen Namen für jemanden wie dich. Du bist ein Wüter«, sagte Twitchtip.
»Ein Wüter? Was ist ein Wüter?«, fragte Gregor. Es hörte sich nach jemandem an, der leicht in Rage geriet.
»Es ist ein besonderer Kämpfertypus. Sie werden mit herausragenden Fähigkeiten geboren. Während andere Jahreüben, um in der Schlacht zu bestehen, ist ein Wüter der geborene Mörder«, sagte Twitchtip.
Das war für Gregor das Allerschlimmste, was man über ihn sagen konnte. »Ich bin kein geborener Mörder!«, stieß er hervor. Er dachte an Sandwichs Prophezeiungen, daran, dass sie ihn den Krieger nannten und dass er den Fluch töten sollte. »Denken das alle über mich? Dass ich so eine Art Mordmaschine bin?«
»Niemand weiß davon, sonst wäre es das Erste gewesen, was ich über dich gehört hätte. Wenn man jemanden als Wüter bezeichnet, ist das keine moralische Wertung. Du kannst dich nicht dagegen wehren, genauso wenig, wie ich mich dagegen wehren kann, dass ich Duftseherin bin. Es bedeutet nicht, dass du töten willst, es bedeutet nur, dass du töten kannst. Besser als irgendwer sonst. Aber wenn du einmal anfängst zu kämpfen, fällt es dir sehr schwer, dich zu zügeln«, sagte Twitchtip.
Gregors Herz pochte. Und wenn sie Recht hatte? Nein, das konnte nicht sein. Es machte ihm überhaupt keinen Spaß zu kämpfen! Er konnte noch nicht mal Streit ertragen! Aber was war mit den Blutbällen und den Tentakeln? Er hatte sein Handeln nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Er konnte sich noch nicht mal daran erinnern … »Ich glaube, du verwechselst mich mit jemand anders«, war alles, was er sagte.
»Nein, bestimmt nicht. Du brauchst nicht auf mich zu
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