Gregor und der Schlüssel zur Macht
er das. Er erzählte ihr von seinem letzten Tag über der Erde, denn der war ihm noch am besten in Erinnerung. Er erzählte ihr, dass es ein Samstag war und er nicht zur Schule musste, dass er Mrs Cormaci geholfen hatte, Kartoffelgratin zu machen, und das Rätselheft für Lizzie gekauft hatte und dann mit Boots Schlitten gefahrenwar. Er hielt sich nicht damit auf, von ihrer Geldnot oder der Krankheit seines Vaters zu erzählen, denn das regte ihn nur auf, und außerdem hatten sie hier auch so genug Sorgen. Er beschränkte sich auf die erfreulichen Aspekte des Tages.
Luxa stellte hin und wieder eine Frage, vor allem wenn er ein unbekanntes Wort gebrauchte, doch die meiste Zeit hörte sie einfach zu. Als er fertig war, saß sie eine Zeit lang gedankenverloren da. Dann sagte sie: »Wie gern würde ich den Schnee sehen.«
»Du müsstest mal hochkommen«, sagte Gregor, und sie lachte. »Nein, im Ernst, du müsstest mal für einen Tag hochkommen. Oder wenigstens für ein paar Stunden. Es ist ziemlich cool da, wo ich wohne. Also, es ist kein Palast oder so. Aber New York City ist schon was Besonderes.«
»Glaubst du nicht, die Überländer würden mich seltsam finden?«, fragte Luxa.
Das war allerdings ein Problem. Mit der durchscheinenden Haut und den violetten Augen … »Wir ziehen dir was Langärmeliges an und setzen dir einen Hut und eine Sonnenbrille auf«, sagte Gregor. »Dann siehst du nicht merkwürdiger aus als die meisten anderen Leute in New York.« Er war auf einmal fast begeistert von der Idee. »Und wir könnten in der Dämmerung rausgehen, damit die Sonne dich nicht blendet. Selbst wenn wir nur die Straße runtergehen und eine Pizza holen würden, wär das schon anders als alles, was du bisher kennst!«
Für eine Weile waren sie beide glücklich. Über die Vorstellung, in New York zu sein. Über die Vorstellung, woanders zu sein.
Dann seufzte Luxa und schob mit dieser gewissen Handbewegung ihre Krone zurück. »Aber natürlich würde der Rat mir niemals die Erlaubnis geben zu gehen.«
»Ach ja, und das würde dich natürlich davon abhalten«, sagte Gregor.
Sie grinste und wollte gerade etwas sagen, als Howard aufstöhnte.
»Pandora?«, sagte er. Er setzte sich so hastig auf, dass er sich an Temp festhalten musste, um nicht umzukippen. Er schaute schnell hin und her und entdeckte die drei Fledermäuse, die zusammengekauert dasaßen. Er sah nach oben, als hätte er das Ganze vielleicht nur geträumt und Pandora könnte über seinem Kopf fliegen. »Pandora?«, sagte er. Er befühlte seine geschwollene Wange und wandte sich zu Mareth.
»Du konntest sie nicht retten, Howard. Keiner von uns konnte etwas tun«, sagte Mareth sanft.
Gregor konnte beinahe sehen, wie sich Pandoras Tod schwer auf Howard senkte und ihn niederdrückte. Er schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte. Es sah herzzerreißend aus.
Boots ging zu ihm und tätschelte ihm den Nacken. »Ist schon gut. Schon gut. Schon gut«, sagte sie beruhigend. Das sagten sie immer zu ihr, wenn sie weinte. Doch Howard weinte jetzt nur noch heftiger. Boots schaute zu Gregor herüber. »Ge-go, er weint.«
Sie wollte, dass er half. Dass er es wieder gutmachte. Aber ihm fiel nichts ein. Da geschah etwas Unerwartetes.
Luxa stand auf, ihr Gesicht war noch blasser als sonst. Sie ging zu ihrem Cousin, setzte sich neben ihn und umarmte ihn. Sie legte die Stirn auf seine Schulter und sagte: »Sie wird immer mit dir fliegen, das weißt du. Sie wird immer mit dir fliegen.«
Howard vergrub das Gesicht in ihrer Schulter. Sie legte die Wange auf seinen Kopf. Und es dauerte lange, bis sie aufhörten zu weinen.
17. Kapitel
G regors Abendessen bestand ausschließlich aus rohem Fisch, weil er seine kleine Portion Brot und Fleisch Boots überließ. Temp, Howard und Ares taten dasselbe, und sie schien zufrieden. Sie gähnte herzhaft und sagte: »Wir machen heia?«
»Ja, wir machen heia, Boots«, sagte Gregor, und sie kuschelte sich auf dem Boden an ihn.
Howard, kreidebleich bis auf die purpurne Verfärbung an der Wange, bestand darauf zu steuern, damit Mareth sich ein wenig ausruhen konnte. Temp hielt Wache, während Zack für Licht sorgte.
Kurz bevor die anderen schlafen gingen, sagte Twitchtip: »Es ist jetzt nicht mehr weit. Ich kann die Ratten riechen.«
»Was ist mit den Riesenschlangen?«, fragte Mareth. »Schlafen sie noch?«
»Ja, aber es dauert nicht mehr lange, bis sie an die Oberfläche kommen. Und sie sind tödlich«, sagte Twitchtip.
Gregor war
Weitere Kostenlose Bücher