Gregor und der Schlüssel zur Macht
wäre, hätte es sich wahrscheinlich zu einem Monster entwickelt. Aber wenn du es unter deine Fittiche nimmst, dann wird es vielleicht ganz in Ordnung«, sagte Gregor.
»Du hast gedacht, ich würde sein Papi sein?«, sagte Ripred, als traute er seinen Ohren nicht.
»Oder wenigstens sein Lehrer. Eine von den anderen Ratten könnte seine Mutter oder sein Vater sein«, sagte Gregor. »Nur für achtzehn Jahre oder so.«
»Ah, da hast du offenbar eine Wissenslücke, was Ratten angeht«, sagte Ripred. »Dieser Flaumball da drüben wird ausgewachsen sein, ehe du den nächsten Winter gesehen hast.«
»Aber … es ist doch noch ein Baby«, sagte Gregor.
»Nur Menschen wachsen so langsam«, sagte Ares. »Das ist eine ihrer großen Schwächen. Alle anderen im Unterland reifen so schnell wie die Ratten. Manche sogar noch schneller.«
»Aber wie wollt ihr ihm in der kurzen Zeit alles beibringen, was es wissen muss?«, fragte Gregor.
»Ratten lernen schneller als Menschen. Und was muss es schon groß lernen? Essen, kämpfen, einen Partner finden, alle hassen, die keine Ratten sind. Um das zu lernen, braucht man nicht lange«, sagte Ripred.
»Du weißt doch noch mehr«, sagte Gregor. »Du weißt sogar einiges über das Überland.«
»Tja, ich habe nachts viele Stunden in euren Bibliotheken zugebracht«, sagte Ripred.
»Du kommst hoch und liest Bücher?«, fragte Gregor.
»Ich lese sie, ich fresse sie, je nach Lust und Laune«, sagte er. »Na gut, Überländer, du kannst das Junge bei mir lassen. Ich werde es nicht töten, aber ich kann nicht versprechen, dass ich ihm viel beibringen werde. Und du weißt auch, dass in Regalia die Hölle los sein wird.«
»Das ist mir egal«, sagte Gregor. »Wenn die glauben, ich mache die Drecksarbeit für sie, sind sie schief gewickelt.«
»So ist’s richtig, Junge. Du bist ein Wüter. Lass dich nicht rumschubsen«, sagte Ripred.
»Ich bin wirklich ein Wüter«, sagte Gregor einfältig.
»Ich weiß. Aber unter den Wütern gibt es Grünschnäbel und es gibt alte Veteranen, die in zahllosen Schlachten gekämpft haben. Und du gehörst zu …?«, sagte Ripred.
»Zu der ersten Sorte«, sagte Gregor. »Und ich hab noch nicht mal ein Schwert.«
»Wie geht’s mit deiner Ultraschallortung voran?«, fragte Ripred.
»Überhaupt nicht«, sagte Gregor. »Ich bin der totale Versager.«
»Aber du wirst weiter üben, weil du so ein unerschütterliches Vertrauen in mein Urteil hast«, sagte Ripred.
»Okay«, sagte Gregor. Er war zu müde, um sich auf einen Streit über Sinn und Unsinn von Ultraschallortung einzulassen. Er stand auf. »Kommst du damit klar? Mit dem Fluch, meine ich?«
»Wenn er seiner Mutter auch nur irgendwie ähnlich ist, werde ich alle Hände voll zu tun haben«, sagte Ripred. »Aber das wird schon gehen.«
Gregor ging zu dem Rattenbaby und strich ihm über den Kopf. »Pass auf dich auf, ja?« Der Fluch schmiegte sich in seine Hand.
»Gib ihm das hier, wenn wir weg sind«, sagte Gregor und reichte Ripred den letzten Schokoriegel. »Das hilft. Ares, kann’s losgehen?«
Ares kam angeflattert und Gregor stieg auf seinen Rücken. »Ach ja, Twitchtip. Wenn sie es bis hierher schafft, darf sie doch bleiben, oder?«
»Oje. Ihr habt sie doch nicht etwa ins Herz geschlossen?«, sagte Ripred.
»Unter den Ratten gehört sie zu unseren Lieblingen«, sagte Ares.
Ripred grinste. »Wenn das arme Würstchen es schafft, sich hierher zu schleppen, soll sie in Gottes Namen bleiben. Fliegt hoch, ihr beiden.«
»Lauf wie der Fluss, Ripred«, sagte Gregor.
Als sie abhoben, schaute er über die Schulter zurück. Der Fluch saß neben Ripred und futterte den Schokoriegel mit Papier und allem Drum und Dran.
Vielleicht würde es ja doch noch gut ausgehen.
24. Kapitel
N achdem sie eine Weile geflogen waren, fiel Gregor ein, dass Ares nach dem langen Marsch durch den Tunnel noch gar keine Verschnaufpause gehabt hatte. »Willst du dir einen Platz suchen, wo du ein Nickerchen machen kannst?«, fragte er. »Ich halte Wache.« Doch noch während er das sagte, fing er an zu gähnen. Er selbst hatte auch nicht viel geschlafen.
»Ich fühle mich eigenartig wach«, sagte Ares. »Warum schläfst du nicht, während wir fliegen? Ich wecke dich, wenn ich eine Pause brauche.«
»Gut, danke.« Gregor streckte sich auf Ares’ Rücken aus. Das Fell war feucht und roch nach verfaulten Eiern, aber um Gregors Kleider war es auch nicht besser bestellt. Unter dem Fell spürte er Ares’ warmen Körper. Er
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