Gregor und der Spiegel der Wahrheit
dich und deine Schwester erwartet, Gregor der Überländer. Kann es sein, dass der dritte Mensch deine Mutter ist?«
»Ja, sie wollte mal mitkommen und sich das Unterland ansehen«, sagte Gregor. Und fügte in Gedanken hinzu: Sie kann es gar nicht erwarten.
»Oh, im Unterland wurde viel darüber gemutmaßt, wie großartig die sein muss, die sowohl die Mutter des Kriegers als auch der Prinzessin ist«, sagte Nike. »Welch eine Ehre, Euch kennenzulernen, Mutter des Kriegers!«
»Ganz meinerseits«, sagte Gregors Mutter steif. »Und Sie können ruhig Grace sagen.«
Gregor grinste in den Nebel hinein. Er wusste, dass seine Mutter von der Freundlichkeit der Fledermaus und ihren Komplimenten beeindruckt war. »Nike, ich glaube, wir haben uns noch gar nicht kennengelernt«, sagte er.
»O nein. Wir sind uns noch nicht begegnet. Doch ich sah dich in meiner Heimat, als du die graue Prophezeiung erfülltest«, sagte sie.
»War das bei Königin Athene?«, fragte Gregor. Das wardas einzige Mal, dass er das Land der Fledermäuse besucht hatte. Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Fledermäusen hatten dort in den Höhlen unter der Decke gehangen. Gregor konnte sich nur an die Königin erinnern.
»Ja, meine Mutter«, sagte Nike.
»Deine Mutter? Dann bist du ja eine Prinzessin«, sagte Gregor leicht überrascht. Sie hatte sich nicht als Prinzessin Nike vorgestellt.
»Ja, das bin ich. Doch ich hoffe, du machst es mir nicht zum Vorwurf.« Nike lachte.
Als sie endlich gelandet waren, mussten sie absteigen und sich durch einen Spalt in der Röhre quetschen, um in den Tunnel zu gelangen.
»Jetzt ist es nicht mehr weit bis nach Regalia«, sagte Gregor, als sie wieder auf Nikes Rücken stiegen.
»Das ist gut. Je eher wir diese Besprechung hinter uns bringen, desto besser«, sagte seine Mutter.
Als Gregor das erste Mal ins Unterland gefallen war, hatte er zwanzig Minuten zu Fuß nach Regalia gebraucht, aber mit der Fledermaus ging es wesentlich schneller. Ehe er sich’s versah, wurde Nike durch ein bewachtes Stadttor gewinkt und Regalia lag direkt unter ihnen. Es war früh am Tag, und die Stadt erwachte gerade zum Leben.
»Oh!«, sagte seine Mutter leise. Die prächtige Stadt aus Stein mit den verschnörkelten Türmen und den fein gemeißelten Verzierungen beeindruckte sogar sie.
Nike flog sie in die Hohe Halle des Palasts, wo Vikus sieschon erwartete. Das Gesicht des alten Mannes war von Sorgen gezeichnet, die Augen hatten ihren Glanz verloren. Die Tatsache, dass Luxa verschwunden, wahrscheinlich sogar tot war, hatte ihn schwer mitgenommen. Doch als er Gregor sah, lächelte er erleichtert.
»Gregor der Überländer. Ich wusste, dass du uns nicht im Stich lassen würdest«, sagte er. »Und auch Boots ist bei uns!«
»Hallo, du!«, sagte Boots.
Gregor und Boots rutschten von Nikes Rücken und gaben den Blick auf Gregors Mutter frei. Sie stieg ab und hielt Boots fest, bevor sie weglaufen konnte. »Du bleibst schön bei mir.«
»Wenn mich nicht alles täuscht, seid Ihr die Frau, der das Unterland seine Rettung verdankt«, sagte Vikus. Er verneigte sich tief vor Gregors Mutter. »Willkommen und ergebensten Dank, Mutter unseres Lichts.«
»Sie können mich ruhig Grace nennen«, sagte Gregors Mutter kurz angebunden.
»Grace«, sagte Vikus und ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. »Ein passender Name für eine Frau, die uns so sehr geholfen hat. Ich bin Vikus.«
»Aha. Und wo findet jetzt diese Besprechung statt?«, fragte Gregors Mutter und nahm Boots auf den Arm.
»Jetzt, da ihr angekommen seid, können wir mit den Vorbereitungen beginnen. Das Blut der Abgesandten muss auf die Pest untersucht werden. Verzeiht die Umstände, doch wir müssen auch euer Blut untersuchen«, sagte Vikus.
»Aber wir haben nicht die Pest!«, sagte Gregors Mutter, von dieser Vorstellung sichtlich schockiert.
»Das hoffe auch ich. Doch unsere Ärzte neigen zu der Vermutung, dass Ares sich angesteckt hat, als ihn auf der Reise zum Irrgarten die Mücken angriffen. Da Eure Kinder damals beide zugegen waren und Gregor in den folgenden Tagen eng mit Ares zusammen war, ist es von höchster Wichtigkeit, dass wir ihr Blut untersuchen«, sagte Vikus. »Wir müssen auch ausschließen, dass die Kinder die Pest an Euch weitergegeben haben.«
Gregor hatte noch gar nicht daran gedacht, dass er und Boots sich angesteckt haben könnten. Jetzt erinnerte er sich, wie er zusammen mit Luxa Ares’ Haut untersucht hatte, damit sie die von den Mücken
Weitere Kostenlose Bücher