Gregor und die graue Prophezeiung
und Henry, um zu sehen, ob sie beleidigt waren, doch beide warteten ungeduldig auf Vikus’ Antwort. Sie wissen es auch, dachte Gregor. Sie tun so cool, aber sie wissen, dass wir es allein nicht schaffen.
»Ich habe nicht vor, euch im Land des Todes eurem Schicksal zu überlassen«, sagte Vikus.
»Oh, super, und wir sind auch noch im Land des Todes«, sagte Gregor. »Also werden Sie … was? Eine Karte zeichnen?«
»Nein, ich habe euch einen Führer besorgt«, sagte Vikus.
»Einen Führer?«, fragte Henry.
»Einen Führer?«, wiederholte Luxa.
Vikus holte tief Luft, als wollte er zu einer langen Erklärung ansetzen. Doch an dieser Stelle wurde er unterbrochen.
»Nun ja, ich selbst bezeichne mich lieber als lebende Legende, aber ›Führer‹ geht schon in Ordnung«, sagte eine tiefe, weltverdrossene Stimme aus der Dunkelheit.
Gregor zielte mit dem Strahl der Taschenlampe auf die Stimme.
In der Tunnelöffnung lehnte eine Ratte mit einer Narbe quer über dem Gesicht. Im Bruchteil einer Sekunde erkannte Gregor den Rattenanführer, den Vikus in den Fluss befördert hatte.
Teil 3
DIE RATTE
19. Kapitel
Z urück!«, rief Vikus, als Luxa, Henry und Mareth mit gezücktem Schwert aufsprangen. »Zurück!«
Der Rattenmann betrachtete die drei bewaffneten Menschen sichtlich amüsiert. »Ja, zurück, andernfalls wäre ich gezwungen mich zu bewegen, und davon bekomme ich immer schlechte Laune«, sagte er träge.
Luxa und Mareth blieben unschlüssig stehen, doch Henry ignorierte Vikus’ Befehl und machte einen Satz auf die Ratte zu. Mit einem einzigen Peitschen des Schwanzes schlug die Ratte Henry das Schwert aus der Hand. Es flog über den Steinboden und krachte gegen die Wand der Höhle. Henry fasste sich an das schmerzende Handgelenk.
»Die schwierigste Lektion, die ein Soldat zu lernen hat, ist, Befehle zu befolgen, die er für falsch hält«, philosophierte die Ratte. »Nimm dich in Acht, Bürschchen, sonst wirst du so enden wie ich, jeden Ansehens beraubt unddazu verdammt, dir die alten Knochen an Feindes Feuer zu wärmen.« Die Ratte nickte dem alten Mann zu. »Vikus.«
»Ripred«, sagte Vikus mit einem Lächeln. »Wir haben gerade zu speisen begonnen. Leistest du uns Gesellschaft?«
»Ich dachte schon, du fragst nie mehr«, sagte Ripred, stieß sich von der Wand ab und schlurfte zum Feuer hinüber. Er hockte sich neben Solovet auf die Hinterbeine. »Meine liebe Solovet, wie gütig von dir auszufliegen, um mich zu begrüßen. Und das, wo doch ein Krieg im Gange ist.«
»Niemals würde ich eine Gelegenheit versäumen, mit dir das Brot zu brechen, Ripred«, sagte Solovet.
»Ach, komm schon, ich weiß genau, dass du nur mitgekommen bist, um mir Informationen aus den Rippen zu leiern«, sagte Ripred. »Und dich an deinem Sieg bei den Flammen zu weiden.«
»Ich habe euch vernichtend geschlagen«, sagte Solovet voller Schadenfreude. »Deine Armee hat den Schwanz eingezogen und ist jaulend in den Fluss gerannt.«
»Armee«, sagte Ripred verächtlich. »Wenn das eine Armee war, bin ich ein Schmetterling. Sogar mit Kakerlaken an der Seite hätte ich bessere Karten gehabt.« Die Ratte schaute zu Temp und Tick, die an der Wand kauerten, und seufzte. »Anwesende selbstverständlich ausgenommen.«
Boots zog die Stirn in Falten und trippelte zu Ripredhinüber. Sie zeigte mit ihrem runden Finger auf ihn. »Du Maus?«
»Ja, ich bin eine Maus. Piep, piep. Jetzt aber husch-husch zu deinen kleinen Käferfreunden«, sagte Ripred und schnappte sich einen großen Brocken Trockenfleisch. Er riss ein Stück mit den Zähnen heraus, als er merkte, dass Boots sich nicht von der Stelle rührte. Er schob die Lippen zurück, entblößte eine Reihe spitzer Zähne und zischte Boots scharf an.
»Oh!«, rief Boots und lief schnell zu ihren Kakerlaken. »Oh!«
»Mach das nicht noch mal«, sagte Gregor. Die Ratte richtete ihre leuchtenden Augen auf ihn, und Gregor erschrak vor dem Blick, der intelligent, vernichtend und, was ihn am meisten überraschte, voller Schmerz war. Ripred war ein anderes Kaliber als Fangor und Shed. Er war komplizierter und gefährlicher. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft im Unterland hatte Gregor das Gefühl, jemandem nicht gewachsen zu sein. Wenn er sich mit dieser Ratte anlegen würde, hätte er nicht den Hauch einer Chance. Er würde verlieren. Es wäre sein Tod.
»Ah, und das hier ist sicher unser Krieger«, sagte Ripred leise. »Ganz der Papa.«
»Mach meiner Schwester keine Angst«, sagte Gregor und
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