Gregor und die graue Prophezeiung
mit meiner Unschuld?«, fragte Luxa zwischen den Zähnen. »Niemand stand Henry näher als ich. Wollt ihr mich ebenfalls verbannen?«
Ein unbehagliches Gemurmel ging durch den Saal. Alle wussten, wie eng die beiden befreundet waren, und doch war Luxa zum Opfer von Henrys Verrat geworden.
»Selbst wenn Ares vom Verdacht des Verrats freigesprochen wird, bleibt die Tatsache, dass er den Bund gebrochen hat«, sagte die rote Fledermaus. »Das allein ist Grund genug, ihn zu verbannen.«
»Und wenn man feststellt, dass man mit einem ganz üblen Schurken verbunden ist?«, fragte Gregor. »Ich finde, dafür müsste es eine Ausnahmeregelung geben.«
Einige Mitglieder des Rates begannen in Stapeln alter Schriftrollen zu wühlen, als hofften sie, dort eine Antwort auf Gregors Frage zu finden. Andere wollten Ares eindeutig an den Kragen.
»Ob er wegen Verrats oder wegen Bruchs des Bundes verbannt wird, ist mir einerlei. Ich will ihn nur weghaben. Wer von uns könnte ihm je wieder trauen?«, rief eine Frau.
Ein Tumult erhob sich in der Arena. Ares schien unter dem Gewicht der Angriffe noch mehr in sich zusammenzusinken.
Gregor wusste nicht, was er machen sollte. Er konnte nicht tatenlos zusehen, wie Ares ins Land des Todes gejagt wurde, um sich dort allein durchzuschlagen. Aber wie konnte Gregor sie überzeugen?
Die rote Fledermaus wiederholte die letzten Worte der Frau: »Ja, wer von uns könnte ihm je wieder trauen?«
»Ich!«, schrie Gregor plötzlich und brachte die Menge damit augenblicklich zum Schweigen. »Ich vertraue ihm bei meinem Leben!« Und dann wusste er, was er zu tun hatte.
Er lief zu Ares und reichte ihm die Hand. Ares hob verwirrt den Kopf, dann verstand er. »O nein, Überländer«, flüsterte er. »Ich bin es nicht wert, das anzunehmen.«
Gregor fasste mit der rechten Hand die Kralle an Ares’ linkem Flügel. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, als er die Worte sprach.
»Ares der Flieger, mein Los ist deins«,
das war die einzige Zeile des Schwurs, an die er sich erinnern konnte, aber Luxa stand hinter ihm und flüsterte ihm die Worte zu.
»Wir sind zwei, unser Leben und Tod sind eins.
Ob sich Flammen, Kriege oder Kämpfe erheben«,
und für die letzte Zeile brauchte Gregor keine Souffleuse.
»Ich werde dich retten wie mein Leben.«
Ares schöpfte wieder ein wenig Hoffnung. Wenn sich der Krieger mit ihm verband, war das noch keine Garantie dafür, dass er der Verbannung entkommen würde, aber der Rat konnte auch nicht einfach darüber hinweggehen. Ares zögerte.
»Sag es«, flüsterte Gregor. »Erwidere den Schwur.«
Und schließlich gehorchte Ares.
»Gregor der Mensch, mein Los ist deins,
wir sind zwei, unser Leben und Tod sind eins.
Ob sich Flammen, Kriege oder Kämpfe erheben,
ich werde dich retten wie mein Leben.«
Gregor trat zurück und wandte sich zum Publikum. Ares’ Kralle hielt er immer noch fest. Gregor sprach mit einer bisher ungekannten Kraft. »Ich bin der Krieger. Ich bin der Sohn der Sonne. Wer von euch wagt es, Ares, den mit mir Verbundenen, zu verbannen?«
27. Kapitel
E s gab Ärger und Streit und es wurde über das Gesetz hin und her geredet, aber am Ende konnten sie Ares nicht verbannen. Die Tatsache, dass Gregor sich mit ihm verbunden hatte, wog schwerer, als Gregor erwartet hatte.
Ein alter Mann wühlte immer noch wild in seinen Schriftrollen, bis Vikus zu ihm sagte: »Du brauchst nicht weiter zu suchen, ein solcher Fall ist noch nie da gewesen.«
Gregor wandte sich zu seiner Fledermaus. »Tja, ich werde wohl nicht mehr lange bei euch sein.«
»Das kümmert mich nicht«, sagte Ares. »Solange ich fliegen kann, werde ich immer für dich hier sein.«
Als sich die Aufregung gelegt hatte, marschierte Gregor schnurstracks zur Krankenstation. Bevor er das Zimmer seines Vaters betrat, versuchte er sich auf alles gefasst zumachen. Er hatte Angst, sein Vater könnte einen Rückfall erlitten haben. Doch als er hineinging, erwartete ihn ein fröhliches Bild. Sein Vater saß im Bett und lachte, als Boots ihn mit Keksen zu füttern versuchte.
»Hallo, Dad«, sagte Gregor lächelnd.
»Oh, Gregor«, sagte sein Vater und strahlte. Er breitete die Arme aus, und Gregor warf sich hinein und hielt seinen Vater ganz fest. Er hätte ihn am liebsten nie mehr losgelassen, aber Boots zerrte an ihm.
»Nein, Ge-go. Da-da Kekse essen«, sagte sie.
»Die Krankenschwester hat ihr gesagt, sie soll mich zum Essen anhalten, und sie nimmt diese Aufgabe sehr ernst«, sagte
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