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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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gerechtfertigt?
    Fast ein Jahr lang war jeder Zweifel mit dem lapidaren Hinweis erstickt worden, es sei im Grunde unerheblich, an welchem Unternehmen man sich beteilige, die Hauptsache sei, es gehöre zur »New Economy«. Mit anderen Worten, alles was beispielsweise im Internetbereich tätig war oder vorgab, dort tätig zu sein, war schon aus diesem Grund ein klarer »Kauf«, egal zu welchem Preis. Zögernde Nachfragen seitens der Anleger führten dann allenfalls zu dem Ratschlag, auf die Weltmarktführer zu setzen, da könne kaum etwas passieren. Die größten Anbieter im Internet würden sich mit großer Sicherheit gegen die Konkurrenz durchsetzen.
    Wer also mit seiner Anlagestrategie auf der Höhe der Zeit sein wollte, setzte auf »New Economy«. Das galt für das Millionenheer der Kleinanleger rund um den Globus, und das galt nicht zuletzt |239| auch für die Fondsmanager, die von ihren Kunden durch Milliardenzuflüsse nahezu gezwungen wurden, in »New Economy« zu investieren. Das Ergebnis war Tag für Tag in den Medien zu bestaunen: Die Kurse all der Unternehmen, die auch nur im Entferntesten mit Internet, Telekommunikation oder Medien zu tun hatten, schossen in den Himmel. Neuemissionen aus diesen Bereichen wurden fast blindwütig gezeichnet und ab der ersten Sekunde ihres Börsenlebens nachgekauft.
    Nach dem Hintergrund fragte kaum jemand. Warum auch? Manche dieser Börsenwundertüten bescherten den Käufern Zeichnungs- und Kursgewinne von mehr als 100 oder 200 Prozent. Direktbanken, die per Telefon oder über das Internet Aktien wie Brötchen zu Billigstpreisen verhökerten, wurden von Kunden überrannt. Die Spaßgesellschaft entdeckte die Aktie als einträgliches Freizeitvergnügen. Warum sollte man überhaupt mit eigenem Geld ins Spielkasino namens Börse gehen oder gar richtig arbeiten, wenn innerhalb weniger Stunden an der Börse riesige Gewinne eingesackt werden konnten? Und das ohne größeres Risiko! Die Kurse kannten doch seit Monaten nur eine Richtung: nach oben!
    Diese Einstellung bereitete vor allem in den USA den Verantwortlichen zunehmend Sorge. Aktienkäufe auf Kredit kamen immer mehr in Mode, und offenbar war nicht jeder Aktienverkäufer bereit, sich hinreichend der Sicherheiten seiner Kunden zu vergewissern.
    Wenn Aktien der »New Economy« zunehmend als »Fast Food« konsumiert wurden, durfte es keinen verwundern, dass im Umkehrschluss die sogenannte Old Economy vom Spielplan abgesetzt wurde. Fundamentale Daten wie Gewinne, Finanzreserven oder Dividendenzahlungen aus dem operativen Geschäft waren mega-out.
     
    Als ich in Berlin während der Präsentation eines Unternehmens aus der Hightech-Branche eine junge Analystin nach ihren Gewinnschätzungen für die kommenden Jahre fragte, um daraus den möglichen Emissionspreis abzuleiten, erntete ich zunächst verblüfftes Schweigen und dann schallendes Gelächter. Aus ihrer Sicht verständlich, denn in der »New Economy« spielten Begriffe wie Gewinne oder Cashflow kaum noch eine Rolle. Wie sollten sie auch, denn ein neues |240| Unternehmen in einem neuen Markt konnte doch noch gar keine Gewinne machen. Im Gegenteil, in den ersten Jahren würden vermutlich sogar hohe Verluste anfallen. Ein Unternehmen aufbauen, Produkte entwickeln, Mitarbeiter für die Produktion anwerben, seinen Absatzmarkt finden und besetzen, das alles kostet zunächst nur und bringt kein Geld. Deswegen geht man ja als Jungunternehmer an die Börse, um von den Anlegern möglichst viel Eigenkapital einzusammeln. Über Kredite allein wäre dies in dem einen oder anderen Fall schon schwieriger, da nicht jede Bank bereit ist, derartige Risiken zu übernehmen.
    Nebenbei gesagt, lag hierin auch ein Grund für die Flut von Neuemissionen am Neuen Markt. Aber wenn die Anlaufprobleme im Unternehmen überstanden sein würden, wenn das alles vorhanden wäre, wenn alles stünde, ja dann würde die einzigartige Produktidee des dynamischen jungen Unternehmers ein unglaubliches Wachstum generieren, und die Gewinne würden nur so sprudeln. Und alle wären zufrieden.
    Wenn man dennoch unbedingt am Kurs-Gewinn-Verhältnis als Bewertungsmaßstab festhalten wolle, so wurde mir beschieden, müsse man diese rechnerische Größe dynamisieren und nur noch auf die Zuwachsraten künftiger Gewinne abheben und diese dann ins Verhältnis setzen zu den gegenwärtigen Kursen. Besser sei es aber, man verzichte gleich ganz auf das antiquierte KGV und setze auf das Verhältnis der Kurse zu den Umsätzen.
    Wenn

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