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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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außer Kraft gesetzt? Warum stiegen US-Dollar und Pfund gegenüber der D-Mark, trotz sinkender Zinsen in den USA und in Großbritannien? Die einfache Antwort: Es war nicht die Stärke von US-Dollar und Pfund, sondern die Schwäche der D-Mark.
     
    In Frankfurt hatten wir das Ende des Golfkriegs längst nicht mit der gleichen anhaltenden Euphorie bejubelt wie die Börsianer in New York oder London. Der DAX bewegte sich nur zögernd vorwärts, als ob er mit angezogener Handbremse führe. Die deutschen Demonstrationen gegen den Golfkrieg, die Parolen gegen Amerika, das Zögern der Bundesregierung, als es galt, im Golfkonflikt eine eindeutige Position zu beziehen, die Milliardenbeträge, die wir an die Kriegskasse der Amerikaner für deren Kriegseinsatz überwiesen, das Defizit in der Leistungsbilanz, das daraus folgte – dies alles zusammengenommen mag ein Grund für unsere Zurückhaltung gewesen sein. Die entscheidenden Argumente für die gedämpfte Stimmung auf dem Parkett kamen allerdings aus anderen Ecken.
    Den dicksten Stolperstein hatten wir uns nämlich selbst in den Weg gerollt. Tag für Tag diskutierten wir die finanziellen Folgen der Wiedervereinigung. Bei der Aufarbeitung der Lasten waren Politiker, Bundesbankmitglieder, Gewerkschaftsfunktionäre, Arbeitgeber und auch Journalisten so gründlich, dass die internationale Finanzwelt diese offensichtliche Schwäche der deutschen Wirtschaft nicht übersehen konnte. Mit klammheimlicher Freude verwiesen mich die Gesprächspartner ausländischer Institute immer wieder auf die innerdeutschen Diskussionen. Die schwächelnde D-Mark wurde zum Indiz für den drohenden Abstieg der deutschen Aktien in die Zweitklassigkeit.
    Vergeblich versuchte ich in meinen Interviews die Analysten und Börsianer vom Parkett durch die verhältnismäßig guten Zahlen der deutschen Wirtschaft aufzumuntern. Im alten Bundesgebiet war die Wirtschaft 1990 real um mehr als 4 Prozent gewachsen, die Beschäftigung hatte ein Rekordniveau von 28,5 Millionen erreicht, die Preissteigerungsrate lag mit 2,7 Prozent deutlich unter den Schätzungen vieler Börsianer, die nach der Wiedervereinigung mit einer Explosion der Preise gerechnet hatten. Für mich war diese Entwicklung keine |87| Überraschung, denn ich hatte vermutet, dass die deutschen Unternehmen angesichts der weltweiten Konjunkturschwäche außerhalb der deutschen Grenzen wohl kaum in der Lage sein würden, gegen den internationalen Wettbewerbsdruck ihre Preisvorstellungen durchzusetzen. Die ersten Anzeichen der Globalisierungsfolgen tauchten am Horizont auf. Doch meine optimistischen Argumente stießen ins Leere. Die guten Zahlen des vergangenen Jahres, so hielten meine Gesprächspartner dagegen, hätten keine Signalfunktion für 1991, denn für das »Gehabte« gebe der Börsianer nichts. Was interessiere, sei die Zukunft, und die sehe halt mehr als düster aus.
    Tagtäglich wurden wir in der Sendung mit pessimistischen Perspektiven konfrontiert. Überall nur Crash-Propheten. Der DAX werde noch in diesem Jahr auf die Marke von 1 600 zurückfallen, war die vorherrschende Meinung. Mein wiederholter Hinweis auf die alte Börsianerweisheit, dass die Mehrheit nie Recht habe, nutzte sich ab, zumal ich selber meinen Glauben an einen guten Jahrgang 1991 allmählich verlor. Zu viele düstere Wolken zogen auf. Steuererhöhungen wegen der Finanzierung des Golfkriegs standen ins Haus – in Wirklichkeit doch nur für die Finanzierung der Wiedervereinigung, sagte die Börse –, drastische Sparprogramme der Bundesregierung waren hingegen kaum auszumachen. Zwar wollte Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann die Subventionen um 10 Milliarden D-Mark zurückschneiden, doch die Börse schenkte seinen vollmundigen Versprechungen nicht den geringsten Glauben. Zu Recht, wie sich nur wenig später herausstellen sollte. Lohnerhöhungen, die im Westen Deutschlands zu Einkommensverbesserungen von 7 Prozent führten, schwächten die Finanzkraft der Unternehmen und belasteten die kommenden Lohnverhandlungen im Osten.
    Vor allem aber beunruhigten sie die Bundesbank in Frankfurt am Main. Kaum Sparansätze in den öffentlichen Haushalten, dazu Lohnsteigerungen, die vor allem im Osten weitab von der gegenwärtigen Produktivität lagen, das alles waren schrille Alarmzeichen in den Ohren der Bundesbanker. Jedem auf dem Frankfurter Parkett war klar, dass die Bundesbank all ihre Folterinstrumente auspacken, also die Zinsschraube anziehen würde. Eine auf lange Sicht schwache

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