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Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Titel: Greifenmagier 1 - Herr der Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neumeier Rachel
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Greifen von allen Fesseln zu befreien - selbst wenn man wusste, dass Kairaithins erste Handlung, wenn er erst mal befreit war, gewiss darin bestand, den Menschen niederzustrecken, der ihn gebunden hatte. Dieses Wissen allein hätte nicht gereicht, Bertaud davon zurückzuhalten. Doch die eigene Sicherheit war derzeit bei Weitem nicht die wichtigste Erwägung.
    »Ich biete dir einen neuen Plan an«, sagte Bertaud.
    »Du gebietest nicht über mich.«
    Bertaud zögerte. Er holte tief Luft, stählte das eigene Herz und sprach dann mit Bedacht den unbarmherzigen Befehl aus: »Knie vor mir nieder!«
    Das Menschengesicht des Greifen spannte sich. Er kämpfte gegen den Befehl an. Bertaud wartete nur; ihm bereitete der Zwang, dem er Kairaithin unterwarf, keine Mühe. Es war etwas anderes als bei einem Magier, der die Kraft der Erde einsetzte, um die Kraft des Feuers zu überwinden; vielleicht glich es eher dem Zwang, den ein casmantisches Fluchgelübde ausübte. Bertaud fand von jeher schon die Vorstellung von einem Fluchgelübde abstoßend. Die Realität seiner Verbundenheit war jedoch noch schlimmer. Der Zwang, den Bertaud nun ausüben konnte, erforderte nicht einmal eine Auseinandersetzung der Fähigkeiten oder des Willens. Für Bertaud war es überhaupt kein Kampf, auch wenn sich dabei sein Herz verkrampfte.
    Kairaithin stieß einen leisen Laut des inneren Widerstands aus, sank aber auf dem verkohlten Fußboden in die Knie. Seine schnellen Atemzüge zischten wie Sand.
    »Ich gebiete sehr wohl über dich. Du hast nicht die Kraft, dich mir zu widersetzen. Also wirst du tun, was ich will, und nicht das, was du willst.«
    Kairaithin blickte Bertaud in die Augen. Er sagte in rauem, gleichmäßigem Ton: »Ich erkenne deine Macht an, Mensch. Ich erkenne deine Kraft an. Es ist allerdings falsch von dir, sie zu nutzen.«
    Bertaud pflichtete ihm uneingeschränkt bei. Es fühlte sich normal und richtig an, das grimmige Denken, das Herz und den Willen des Greifen zu verstehen. Es fühlte sich jedoch fürchterlich und zerstörerisch falsch an, diese grimmige Wildheit einem Zwang zu unterwerfen. Zum ersten Mal im Leben begriff Bertaud wirklich, warum jemand, der dem Rotwild gebot, dieses niemals zum Jäger lockte; warum jemand, der Wölfe zwingen konnte, die Herden eines Dorfes nicht anzurühren, bereit war, in einem harten Winter die eigenen Schafe für sie zu schlachten. Bertaud verabscheute, was er hier tat. Und doch ... Er hob die Hände und zeigte die offenen Handflächen. »Ist nicht meine Not zu groß, als dass ich mich noch für das entscheiden könnte, was recht ist? Ich muss mich für das entscheiden, was ich unbedingt benötige. Du wirst dich mir beugen.«
    Unvermittelt wurde laut an die rauchgeschwärzte Tür gehämmert. Beide erschraken sie und zuckten zusammen. Kairaithin nutzte den Augenblick des Erschreckens auch für einen Versuch, aus dem Griff Bertauds auszubrechen, sich in Wind und Feuer zu verwandeln und zurück in die Wüste zu fliegen.
    Nach dem ersten Augenblick der Überrumpelung gelang es Bertaud, den Greifen aufzuhalten. Er brauchte nicht mal ein Wort zu sagen; er musste nur einen Gedanken formen: einen Gedanken, der den Greifen zwang, in die Menschengestalt zurückzukehren, der ihn auf die verkohlten Bodenplanken drückte und das stolze Gesicht gleich mit. Wie jemand, der die Gabe besaß, mit Rindern zu sprechen, einen wütenden Bullen sofort fügsam machen konnte, so unterwarf Bertaud eine Kreatur, die nicht dazu gedacht war, irgendeinem Zwang zu folgen.
    Kairaithin wehrte sich. Vergebens.
    »Füge dich mir!«, beharrte Bertaud, der gleichzeitig wütend, erschrocken und angewidert von sich selbst war. Als das Hämmern an der Tür bedrohlich heftig wurde, befahl er dem Greifen: »Halte sie fern!«
    In dieser Angelegenheit stimmten sie völlig überein. Eine lodernde Feuerwand schoss rings um sie beide empor. Vor dem Zimmer schrien Menschen auf und verstummten. Das Feuer erstarb. Und als führte die Befolgung eines Befehls dazu, sich dem anderen ebenfalls zu fügen, entspannte Kairaithin langsam und gezielt die Muskeln in Rücken, Hals und Armen. Er sagte gedämpft in den Boden hinein: »Ich erkenne deine überlegene Kraft an. Ich könnte das in keiner Weise leugnen.«
    Bertaud lockerte den Zwang. Er zitterte. Kairaithin, der sich langsam auf die Knie und dann auf die Beine erhob, tat es nicht. Er war zornig, und dieser Zorn war tief und unnachgiebig wie geschmolzenes Gestein. Der Greifenmagier empfand Scham,

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