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Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Titel: Greifenmagier 1 - Herr der Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neumeier Rachel
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sie es?
    Und wenn sie dazu in der Lage war, würde sie sich anschließend freuen? Vielleicht sagte sie sich dann: Aber war dies nicht ein Tag für Blut?, und fragte sich, warum sie sich die Mühe gemacht hatte. Kes drückte sich die Hände auf die Augen und versuchte, nicht daran zu denken, wie sie sich in der Wüste verlor, wie sie hinnahm, dass diese sie nicht nur in einen anderen Menschen verwandelte, sondern in eine ganz andere Art von Kreatur. Aber auch wenn sie sich weigerte, darüber nachzudenken, so wusste sie doch, dass es möglich war. Mehr als nur möglich. Beinahe sehnte sie sich danach, Feuer durch ihr Herz in die Hände zu gießen, sofort in diesem Augenblick Feuer im Wind zu verstreuen - nur damit diese Veränderung auch wirklich eintrat, damit sie es hinter sich hatte, damit sie aufhören konnte, sich über diese Zukunftsaussicht zu quälen. Und danach ... Was sie wohl danach dachte? Oder fühlte?
    Kam es denn darauf an, was sie danach dachte? Oder fühlte? Kam es denn darauf an, was sie vielleicht durch ihre Wahl verlor, wenn sie doch im Grunde gar keine Wahl hatte? Kam es darauf an, was sie vielleicht gewann?
    Sie wandte sich an Opailikiita. »Du kennst ja die Bindung, die mir Kairaithin auferlegt hat.«
    Ich kenne sie, erwiderte die Greifin.
    »Ich kann die Wüste nicht verlassen. Du könntest mir jedoch helfen. Du könntest die Wüste ... weiter ausdehnen.« Kes führte eine vage Handbewegung aus.
    Die Greifin wandte den Kopf, die zart gefiederten Lider über den golden-lohfarbenen Augen halb geschlossen. Wohin möchtest du gehen?
    In gewisser Hinsicht hätte Kes gern geantwortet: Nach Hause. Sie schloss die Augen und versuchte sich das behagliche Heim vorzustellen, in dem Tesme sicher auf sie wartete. Die sich Sorgen um Kes machte. Sich fragte, wo ihre Schwester steckte, was sie tat, ob sie in Sicherheit war. Bilder der Wüste drangen jedoch in Kes' Erinnerungen an Zuhause ein: Flammen, die sich im Wind kräuselten und aus dem Sand hervorleckten; die gnadenlose Sonne, die über roten Klippen brannte; scharf gezeichnete Schatten, die sich darunter ausbreiteten ...
    Kes blinzelte. Dann blinzelte sie erneut und starrte nach Nordwesten, zu dem Dunstschleier hinüber, der auf die Straße und den König hindeutete. »Dorthin.«
    Neben ihr zeigte Jos erhöhte Aufmerksamkeit.
    Was möchtest du dort tun?, fragte die Greifin.
    »Den König finden. Und ihm sagen ... ihm sagen ... ihm alles erklären, denke ich.« Kes dachte äußerst beunruhigt über diese geplante Großtat nach, nachdem sie sie jetzt offen in Worte gekleidet hatte. Sie schauderte. Konnte sie denn einfach so vor den König von Farabiand treten und ihm überhaupt irgendetwas sagen?
    Tränen stiegen ihr in die Augen - oder ein Druck und eine Wärme, die eigentlich Tränen hätten sein sollen. Sie wusste: Wenn sie weinte, würden Feueropale in den Sand kullern. Sie blinzelte heftig, denn sie wollte keine Edelsteine sehen, wo Tränen hätten sein sollen. Sie hatte tapfer genug ausgesprochen, was sie vorhatte. Sie wusste jedoch: Sobald sie inmitten einer Heerschar Soldaten, Höflinge und Fremder stand, wäre sie stumm und hilflos, bis sie sich, besiegt von der eigenen Sprachlosigkeit, gezwungen sähe, wieder in die Wüstenstille zurückzukehren.
    Und doch: Wenn sie schon nicht glaubte, dass sie den Mut fände, sich einer solchen Situation zu stellen und das Wort zu ergreifen, konnte sie dann nicht zumindest den Mut finden, wenigstens den ersten kleinen Schritt in diese Richtung zu tun?
    Opailikiita, die selbst furchtlos war, verstand Furcht nicht und hätte Kes' Bangigkeit nicht verstanden, selbst wenn Kes diese zu erklären versucht hätte. Die Greifin wusste aber sehr wohl, was Gefahr und Besonnenheit waren.
    Der Herr von Feuer und Luft wäre sehr zornig, sagte sie nun.
    Kes wusste, dass dies stimmte. Vorsichtig fragte sie: »Aber ... machst du dir etwas daraus?«
    Und es schien, dass sie das Herz der Greifin richtig verstand, denn während ein Mensch - ob nun eine Frau oder ein Soldat - sich etwas daraus gemacht hätte, antwortete Opailikiita schlicht: Nein.
    Jos starrte sie an. Sie beide.
    Kairaithin wäre auch zornig, fuhr Opailikiita fort. Aus seiner Meinung mache ich mir allerdings etwas.
    Kes blickte in ihre wilden lohfarbenen Augen und durch diese hindurch in das leidenschaftlich unabhängige, unbezwingbare Herz der Greifin, das keine Art fremder Herrschaft ertragen konnte. »Kairaithin hält mich hier fest. Er überlässt mir nur die

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