Greifenmagier 1 - Herr der Winde
bin Bertaud, Sohn von Boudan«, erklärte Bertaud und bemühte sich um einen strengen Tonfall - durchaus mit Erfolg, wie er selbst fand. Er bemühte sich um den Ton, den er von Iaor kannte, wenn dieser sein Missfallen ausdrückte, und hatte den Eindruck, dass er ihn ganz gut nachahmte. Der junge Mann schien jedenfalls beeindruckt. »Zu meinen Pflichten im Dienst des Königs gehört die Aufsicht über die königliche Garde, der du jetzt angehörst. Ich denke, du wirst dich dort gut halten. Das solltest du lieber auch, denn für dich gibt es keine Rückkehr mehr in das Haus deines Vaters. Die Gnade des Königs ist, wenngleich beträchtlich, nicht grenzenlos. Hast du mich verstanden?«
»Ja«, antwortete Enned matt. »Mein Fürst.«
»Du kannst von Glück reden, dass du noch am Leben bist. Auf die Knie, und danke dem hochverehrten Ferris, Sohn von Tohanis, der nicht verpflichtet war, um Gnade für dich und um dein Leben nachzusuchen.«
Nach nur kaum merklichem Zögern wandte sich Enned zum Richter um, sank auf die Knie - immer noch unbeholfen; er musste noch an seiner Eleganz arbeiten - und sagte inbrünstig: »Ich danke Euch, hochverehrter Herr. Vielen Dank!«
Der Richter neigte den Kopf. »Ich werde deinen Vater informieren.«
»Vielen Dank«, wiederholte der junge Mann und warf Bertaud einen nervösen Blick
zu.
Bertaud verschränkte bedrohlich die Arme und erklärte: »Jetzt danke auch dem König, da du es noch nicht getan hast.«
Immer noch auf den Knien liegend, drehte sich Enned zum König um und sagte demütig und mit gesenktem Kopf: »Danke, Eure Majestät, für die mir erwiesene Gnade!«
Iaor neigte einen Hauch weit den Kopf - eine mühelos ausgeführte Geste, die ausgesprochen königlich wirkte.
»Jetzt steh auf und stell dich mir vor!«, befahl Bertaud und wartete, bis sich Enned aufgerappelt hatte. Das Gesicht des jungen Mannes hatte sich gerötet, so verwirrt war er nach wie vor von der plötzlichen und unerwarteten Entscheidung des Königs. Er hatte vermutlich, wie Bertaud klar wurde, kaum eine Vorstellung davon, was überhaupt die Aufgaben der Garde waren. Bertaud musterte Enned von Kopf bis Fuß und wahrte dabei eine strenge Miene. Dann warf er dem Wachmann einen Blick zu. »Annand.«
»Mein Fürst«, sagte der Gardist.
»Stell diesen Mann Eles vor. Sollte der Hauptmann Fragen oder Vorbehalte haben, was die Zuteilung dieses Mannes angeht, dann sag ihm, dass er sich an mich wenden soll.« Bertaud warf bei diesen letzten Worten dem König einen ironischen Blick zu, und Iaor verdeckte den Mund mit einem Finger, um sein Lächeln zu verbergen.
»Mein Fürst«, wiederholte der Gardesoldat, fasste den jungen Mann am Ellbogen und führte ihn zur Tür. Während Enned hinausging, warf er mit großen Augen einen Blick über die Schulter auf Bertaud und den König.
Bertaud wartete, bis der Wachmann die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann gestattete er sich endlich ein Lachen.
Auch Iaor grinste. »Das hast du gut gemacht. So streng! Jeder hätte vor Angst gezittert.« Er stand auf und versetzte Bertaud einen Klaps auf die Schulter. »Ich fürchte, dass ich dich ausnutze, mein Freund.«
»Wie könnte ich mir etwas anderes wünschen als das, was du selbst wünschst, mein König?« Es fiel Bertaud schwer, einen ernsten Ton anzuschlagen. »Nein, nein, ein hitziger, stolzer junger Narr ist genau richtig in der Garde. Frage Eles.« Der Hauptmann der Garde war niemand, der sich von irgendwelchen stolzen jungen Männern Torheiten gefallen ließ. Er hatte sich das in früheren Jahren auch von Bertaud nicht bieten lassen - damals, als Eles schon lange Hauptmann gewesen und der künftige Fürst des Deltas nur Iaors Page und Gefährte war. Mürrisch und gefühlsarm erschien er Bertaud zu jener Zeit; erst viel später entdeckte Bertaud hin und wieder das Funkeln unausgesprochenen Humors in den Augen des Hauptmanns. Der Fürst hoffte, dass Eles gut gelaunt auf die unerwartete Gabe reagierte, die der König und er selbst ihm schickten.
»Das war auch mein Gedanke«, pflichtete Iaor ihm bei. Er schien mit sich zufrieden und hatte auch allen Grund dazu. Diese Lösung war eines Linulariner Rechtskundigen würdig. Niemand, nicht mal der alte Fuchs, konnte behaupten, dass der König das Verbrechen des jungen Mannes auf die leichte Schulter genommen hatte; sogar ohne die Verhängung eines echten Fluchgelübdes konnte man sagen, dass Iaor ein recht strenges Urteil gefällt hatte. Auch ließe sich nicht der Vorwurf
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