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Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Titel: Greifenmagier 1 - Herr der Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neumeier Rachel
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gleich deren Wunder zeigen lassen. Nicht wahr?
    Sie wurde sich darüber klar, dass sie nach einer Rechtfertigung suchte, um genau diese Entscheidung zu treffen. Aber war es nicht so?
    Komm!, flüsterte Opailikiita an den Ausläufern von Kes' Bewusstsein. Wir zeigen dir, was es bedeutet, ein Feuermagier zu sein!
    Kes kam sich überhaupt nicht wie eine Magierin irgendwelcher Art vor. Sie trat jedoch den erforderlichen Schritt vor und gestattete, dass Kairaithin ihre Hand ergriff.
    Der Greifenmagier lächelte nicht. Der Ausdruck seiner Augen glich jedoch einem Lächeln. Die seltsamen, heißen Finger schlossen sich fest um Kes' Hand, und die Welt kippte unter ihnen weg.
    Die Wüste breitete sich bei Nacht in schwarzen und ungewöhnlichen krapprot eingefärbten Silbertönungen aus. Der Himmel war schwarz, ebenso die mächtigen verformten Felswände und die gewaltigen Sandflächen, die sich in alle Richtungen dehnten. Der rote Mond warf ein blasses, blutrotes Licht auf alles, und ganz weit oben bildeten die Sterne glitzernde Silberpunkte. Hin und wieder breiteten sich blitzende goldene Funken in der Dunkelheit aus, und Kes wusste dann, dass sich gerade ein Greif in die Luft geschwungen hatte.
    Kes saß weit über der Welt - und unter den unzähligen Sternen - auf einem Felsen. Kairaithin, der sich weiterhin in der Gestalt eines Menschen präsentierte, so als ob er eine Maske tragen würde, stand direkt an der Klippenkante und starrte hinaus in die Schwärze. Von Zeit zu Zeit warf er einen kurzen Blick auf Kes und Opailikiita, aber jedes Mal wandte er sich wieder um und schaute in die Ferne. Wie ein Wachtposten. Kes wurde nicht schlau daraus. Wartete er vielleicht auf das Signal eines Freundes - wobei sie sich fragte, ob Greifen tatsächlich Freunde im eigentlichen Sinn des Wortes hatten - oder auf das eines Feindes? Immerhin wusste sie ganz genau, dass Greifen wirklich Feinde hatten.
    Kairaithin hatte die Arme verschränkt, und wenn er einen kurzen Blick auf Kes warf, lächelte er hin und wieder leise - das allerdings nicht das Lächeln eines Menschen war. Es enthielt sogar noch weniger Menschliches als sein Schatten, wie Kes nach einigen Überlegungen festgestellt hatte. Sie vermochte jedoch nicht genau zu sagen, worin der Unterschied lag.
    Kes saß mit gekreuzten Beinen auf dem Felsen und lehnte an Opailikiitas gefiederter Schulter. Die junge Greifin lehrte sie gerade, Feuer auf die eigene Handfläche zu rufen und es ins eigene Blut aufzunehmen. Feuer wird wie Poesie durch deine Adern strömen, hatte Kairaithin ihr erklärt, und sie verstand jetzt wenigstens ein bisschen, was der Greifenmagier damit meinte. Sie rief das Feuer wieder aus ihrem Blut hervor, ließ es erneut auf der Hand tanzen und grinste kurz zu Opailikiita hinauf.
    Gut, lobte die junge Greifin und senkte den Kopf, um die kleine Flamme zu betrachten. Sie klackte leicht mit dem Schnabel, ein Ausdruck der Zufriedenheit oder Freude oder des Beifalls - oder zumindest von etwas, das diesen Empfindungen ähnelte. Dann fügte sie hinzu: Feuer wird ein Teil deines Wesens.
    »Ja, das vermute ich auch«, pflichtete Kes ihr bei. Die kleine Flamme auf ihrer Hand fühlte sich angenehm warm an. Sie kam ihr seltsam vertraut vor, als hielte sie schon ihr Leben lang Feuer in den Händen - und fühlte sich dabei so wohl, als handelte es sich um ein Ei. Allerdings fühlte sich die Flamme etwas lebendiger an. Vielleicht war es eher so, als hielte Kes ein Kätzchen in der Hand. Etwas Kleines und Lebendiges. Etwas, das sie vielleicht kratzen könnte, aber ihr nicht ernsthaft wehtun würde. Sorgsam schloss Kes die Hand um die Flamme. Einen Augenblick lang flackerte das Feuer aus dem Käfig der Finger hervor. Dann war es verschwunden.
    Kannst du sie zurückrufen? , fragte Opailikiita.
    Kes blickte zu der schmalen Greifin hinauf und dann wieder auf die eigene Faust. Sie öffnete die Hand mit der Fläche nach oben und zog Feuer aus Opailikiita, aus dem Felsen und aus der Wüstenluft. Erneut erstrahlte die Flamme auf der Handfläche. »Es ist nicht mal schwierig«, stellte Kes lächelnd fest.
    Es ist immer leicht, dem eigenen Wesen zu folgen, erklärte Opailikiita.
    »Ich hatte ja keine Ahnung ...«
    Opailikiita wollte ihr schon antworten, aber Kairaithin kam ihr zuvor. »Jeder Mensch und jeder Greif glaubt, das eigene Wesen wäre eine festgelegte und einzigartige Größe«, führte er aus. »Manchmal aber erweist sich unser charakteristisches Selbst als stärker veränderlich, als

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