Greifenmagier 1 - Herr der Winde
glitzerten und warfen das Licht zurück. Krieg, sprachen sie. Krieg, Krieg! Bögen aus Horn und Holz, an deren Sehnen das Licht herablief, waren in den Händen von Männern, die von den Kameraden mit den Speeren beschützt werden sollten. Die meisten Bogenschützen hatten schon Pfeile angelegt und hielten sich bereit, die Waffen zu spannen. Manche - jene, die ihre Pfeile selbst herstellten - sprachen bereits mit ihren Geschossen: Die Köpfe über die Bögen geneigt, flüsterten sie von zielgenauem Flug und Blut. General Jasand führte eine der Kompanien, einer seiner Hauptleute die andere. Bertaud, der diese Ehre für sich hätte einfordern können, stand mit der Magierin Daiane auf einem Felsvorsprung und überließ diese Ehre dem Hauptmann, der in militärischen Dingen viel erfahrener war.
»Sollte etwas schiefgehen, muss der König davon erfahren«, hatte Jasand kurz zuvor noch gesagt. »Ich traue den Dörflern keinesfalls zu, dass sie den König zutreffend unterrichten würden! Außerdem dürfen wir die Magierin nicht ohne Schutz zurücklassen.« Er hatte Bertaud ein Horn übergeben für den Fall, dass der Fürst von außen etwas Wichtiges erblickte, das den Soldaten im Kampfgetümmel womöglich entging. Dabei hatte der General gar nicht erst aussprechen müssen, dass er nicht glaubte, Bertaud würde das Horn tatsächlich brauchen. Überlasst das Kämpfen den Soldaten, und haltet Euch heraus - so lautete seine Erwartung.
Bertaud hatte das Horn entgegengenommen und keine Einwände erhoben. Beide Argumente des Generals waren vernünftig. Und Bertaud dachte auch - obwohl er es nicht aussprach -, dass er vielleicht unfähig gewesen wäre, zu denken oder zu sprechen, falls er wieder in diese Wüste hinaufstieg. Was wäre dann aus den Männern geworden? Er setzte nun das ausdruckslose Gesicht auf, das er ursprünglich für den Umgang mit seinem Vater entwickelt und später für ermüdende oder unerfreuliche Hofangelegenheiten nützlich gefunden hatte. Auch zwang er sich, nicht nervös hin und her zu schreiten.
»Sie werden heil aus der Schlacht hervorgehen«, erklärte Daiane, die angespannt und aufrecht neben ihm stand. Er hatte ihr empfohlen, sich zu setzen. Doch sie weigerte sich.
»Natürlich«, erwiderte Bertaud und fragte sich dabei, ob er sich dabei so unaufrichtig anhörte wie sie.
Unvermittelt stürzten sich die Greifen herab. Sie flogen direkt den roten Berg hinunter, geradewegs auf das Schlachtfeld zwischen den beiden Kompanien zu, als fürchteten sie keinen Bogen oder wüssten gar nicht, dass Menschen solche Dinge benutzten. Sie flogen nicht in Formation; manche kamen allein, andere zu dritt oder zu viert.
Zwei Dutzend. Vier Dutzend. Sechs.
»Erde und Eisen!«, flüsterte Daiane.
Bertaud war sprachlos. Sie waren riesig, groß wie die weißen Stiere, die im Delta gezüchtet wurden, aber ganz und gar nicht so zahm. Die Greifen flogen aus dem Licht hervor, als hätte das Licht selbst sie geformt. Der Wind, der ihre Schwingen hervorrief, blies roten Staub vor ihnen her - beißenden Staub, aufgewirbelt zu einem blendenden Schleier. Bertaud schirmte seine Augen mit den erhobenen Händen ab und konnte so trotzdem erkennen, dass Feuer aus ihren Schwingen auf den Wind fiel und Flammenzungen unter ihnen vom Sand hochsprangen. Eingehüllt von Staub und Feuer stießen die Greifen wie jagende Falken herab, und ihre Klauen glänzten. Sie kreischten im Sturzflug: grausame hohe Schreie, die die Luft wie Messer durchschnitten.
Viele der Männer antworteten, indem sie ebenfalls schrien. Bertaud konnte ihnen daraus keinen Vorwurf machen. Doch kostbare Sekunden vergingen, ehe sich die Soldaten auf ihre Disziplin besannen und die Bögen spannten. Pfeile schnellten nach oben; das Licht glitzerte wie rotes Feuer auf den Stahlspitzen, und Flammen stürzten an den emporsteigenden Geschossen vorbei. Manche Greifen wurden sicherlich getroffen. Bertaud konnte es zwar nicht erkennen, aber gut gefertigte Pfeile suchten nach lebendigem Fleisch und wendeten gar im Flug, um es zu finden. Trotzdem stürzte ein grausamer Feuerregen auf die Kompanien der Menschen hinab, und deren Reihen gerieten unvermittelt in Unordnung. Speere wurden emporgereckt, ungeachtet der Flammen fast in geordneter Formation, und Bertaud hielt die Luft an: Wenn die Männer standhielten, würde Jasand recht behalten, denn nicht mal mit Feuer und Wind gelänge es den Greifen, diesen Vorhang aus Stahl zu durchbrechen - nicht, ohne das eigene Blut im Sand zu
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