Greifenmagier 1 - Herr der Winde
war, langsam die Erkenntnis, während sie sich dem Greifen zuwandte. Bislang wirkte sie jedoch mehr erschüttert als feindselig.
Bertaud fuhr so schnell vom Stuhl hoch, dass dieser rücklings auf den Steinfußboden kippte. Urplötzlich fand sich der Fürst zwischen seinem König und dem Greifenmagier wieder, ohne dass er sich klar erinnern konnte, wie er sich bewegt hatte. Zudem wurde ihm bewusst, dass er nicht einmal ansatzweise wusste, was er unternehmen sollte, falls Kairaithin Iaor oder irgendeinem der anderen Anwesenden zu schaden trachtete.
»Sohn von Boudan«, sagte Kairaithin zu Bertaud, während humorlose Erheiterung in den nicht menschlichen Augen spielte. »Du hast also deinen Platz wieder eingenommen.«
»Anasakuse Sipiike Kairaithin«, antwortete Bertaud und stellte überrascht fest, dass seine Stimme fest und gleichmäßig klang. »Warum bist du hier, wo du keinen Platz hast?«
»Friede, Mensch«, erklärte der Greifenmagier und zeigte die offenen Handflächen. »Ich bin dem Weg gefolgt, den du mir gewiesen hast, um zu deinem König zu sprechen, falls er mich anhören möchte.«
Iaor war nicht aufgestanden, wirkte aber am ganzen Körper angespannt. General Adries war inzwischen auf den Beinen, wie auch mehrere seiner Offiziere. Sie waren bewaffnet, und Bertaud blieb nur die Hoffnung, dass sie nicht die Schwerter zogen und so Kairaithin zu einer feindseligen Haltung veranlassten.
»Dem Weg, den ich ...?« Bertaud schluckte die erschrockene Frage gleich wieder herunter, bevor er sie ganz ausgesprochen hatte, und verkündete stattdessen: »Iaor, das ist der Größte unter den Greifenmagiern, und er ist gekommen, um mit dir zu sprechen. Ich schlage vor ...«
Der junge Magier, dessen Züge sich zu einer Miene der Angst und Abneigung verzerrt hatten, stand unvermittelt auf und schleuderte einen Bindungszauber aus Gestein und Erde auf Kairaithin.
Kairaithin wehrte den Angriff in einem Funkenregen ab, ohne auch nur zu blinzeln. Er ignorierte den Magier und sagte geduldig zum König: »König von Farabiand, ich habe diesen Ort aufgesucht, um mich in einer Frage an Euch zu wenden, die für uns beide wichtig ist. Wenn Ihr klug seid, werdet Ihr mich anhören.«
Mit beiden Händen umklammerte Iaor die Armlehnen seines Sessels. Er erwiderte Kairaithins Blick, und wenn er auch nicht den Greifen hinter dem Menschen erkannte, so hätte er doch tot sein müssen, um nicht die Macht zu spüren, die rings um Kairaithin die Luft durchdrang. Er holte tief Luft, um zu sprechen.
Ehe er jedoch ein Wort fand, schloss Meriemne die blicklosen Augen und drehte die Innenseiten ihrer zerbrechlichen Hände auf dem Tisch nach oben. Die geballte Last der Erde stürzte auf Kairaithin, unaufhaltsam wie ein Erdrutsch.
Dem erkennbar überrumpelten Greifen blieb nur der Bruchteil einer Sekunde, um zu reagieren, und das reichte nicht. Dann überwältigte ihn die schwerfällige Wucht der Erde und drückte ihn auf den Boden. Sogar der feurige Schatten wurde weggedrückt und erlosch wie eine ausgedrückte Kerze. In seiner Hilflosigkeit - gebunden durch die Macht von Stein und Erde, der unruhige Schatten erstickt und die schwarzen Augen geschlossen - wirkte Kairaithin menschlicher als je zuvor.
»Meriemne?«, fragte der König.
»Das«, sagte die Älteste der Magier, die inzwischen ihre Hände zu Fäusten geballt hatte, »ist eine unerträglich gefährliche Kreatur, Iaor. Nicht mal nach den Schilderungen des hochverehrten Bertaud hätte ich gedacht ... Erkennst du es denn nicht?« Der Klang ihrer Stimme war nur noch eine Hülse und kaum vernehmbar. Sie hielt das Gesicht Kairaithin zugewandt, als sähe sie ihn.
»Er wollte doch nur mit dir sprechen!«, rief Bertaud.
Meriemne richtete ihren blinden Blick auf ihn. Eine Furche bildete sich zwischen den Augenbrauen; sie neigte den Kopf zur Seite und wirkte konzentriert. Sie flüsterte: »Ich möchte nicht ... Iaor, ich kann diese Kreatur binden. Dann könntest du gefahrlos mit ihr reden ...« Ihre Stimme verklang, als hätte sie einfach jede Kraft verloren, sich zu äußern.
Iaor wandte den Blick von der Magierin auf Bertaud. »Er darf zu mir sprechen«, sagte er schließlich. »Sobald er gebunden wurde. Bertaud - erwartest du denn von mir, mich nicht gegen diese machtvolle Kreatur abzusichern, wenn sie in meiner Nähe auftaucht? In dieser Gesellschaft? In diesem Haus? Möchtest du sagen, dass Meriemne unklug gehandelt hat?«
»Nicht unklug«, antwortete Bertaud und setzte, fast
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