Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grenzen der Sehnsucht

Grenzen der Sehnsucht

Titel: Grenzen der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Kraemer
Vom Netzwerk:
erfolgreicher. Die elektronische Vernetzung hat die Art der schwulen Kommunikation in den vergangenen Jahren revolutioniert wie zuvor kein anderes Medium. Noch nie konnte man so zielgerichtet auf Partnersuche gehen, völlig unabhängig davon, ob in der Nähe Treffpunkte für Schwule existieren oder nicht.
    Das Erfolgsprinzip von Gaydar ist zugleich simpel und ausdifferenziert; das Netz erstreckt sich über den ganzen Globus. Jeder muss für sich ein Profil zusammenstellen. Dazu gehören ein oder mehrere Fotos sowie die Angabe von bestimmten Merkmalen. Für die internationale Verständlichkeit wird alles in Basic English formuliert. Hobbys, sexuelle Vorlieben und die Schwanzgröße zum Beispiel. Man stellt von vornherein klar, ob man geschützten Sex praktizieren will oder nicht. Es bleiben kaum Fragen offen. Wer über ein Profil verfügt, kann einen Partner aussuchen und ihm eine Nachricht schicken, je nach Vorliebe, Wohnort oder sofortiger Verfügbarkeit. Dabei lassen sich über Gaydar auch während der Arbeit am PC Botschaften empfangen.
    Kontaktforen wie Gaydar sind Bestandteil der globalisierten schwulen Community geworden. Vor allem unter Kölner Szeneschwulen ist Gaydar ein Stichwort, das man nicht mehr erklären muss. Darüber weiß man einfach Bescheid.
    Dank Gaydar kann man am Computer mit Männern aus Europa und dem Rest der Welt anbandeln – und das nicht nur für virtuelle Kontakte oder Urlaubsbekanntschaften. Noch vor zehn Jahren als hoffnungslos belächelt, gehört die Fernbeziehung nun zum gängigen Repertoire schwuler Beziehungsmuster. Möglich machen das die expandierenden Billigfluggesellschaften. Mit Airlines wie Hapag Lloyd werden Wochenendtrips von Köln nach Mailand, nach London oder Paris für jeden erschwinglich. Kein anderer Flughafen in Deutschland verfügt über so ein breitgefächertes Angebot an Niedrigpreisflügen wie der in Köln-Bonn, kein anderer hat ein so großes Einzugsgebiet. Auf den Anschluss an die große weite Welt richten einige Schwule ihren Lebensstil aus, den sie nur unter diesen Voraussetzungen führen können. Nicht auszudenken, wenn eines Tages die Flugbenzinsteuer eingeführt würde.
    Auch Shakers Geschichte steht ganz im Zeichen der Globalisierung. Sie hätte womöglich einen ganz anderen Verlauf genommen, wenn das world wide web nicht wäre. Eigentlich kommt der 29-jährige aus dem Irak.
    „Dort wohne ich aber schon lange nicht mehr“, sagt er und lässt an seinem Gesicht erkennen, dass ihm das Thema am Herzen liegt.
    „Bagdad ist meine Heimat, dort habe ich bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr gelebt. Damals hätte ich nie gedacht, dass ich eines Tages nach Deutschland kommen würde. Meine Eltern waren wohlhabend; mein Vater hatte ein großes Unternehmen. Doch dann sind wir in den Libanon gezogen. Von dort stammt nämlich meine Mutter. Das war 1994, nach dem ersten Golfkrieg. Zu der Zeit sind viele weg aus dem Irak. Alle, die qualifiziert waren. Man kann sich vorstellen, dass der Alltag unter der Diktatur Saddam Husseins nicht einfach war. Schwules Leben existierte überhaupt nicht. Ich dachte damals noch, dass ich ganz alleine bin. Deswegen war ich froh über den Umzug. In Beirut gab es schon mehr Freiheiten. Als Schwuler konnte ich im Libanon viel Sex haben. Es war natürlich nicht so offen wie hier.“
    Shaker fing in Beirut an, Modedesign zu studieren. Er lernte schließlich auch Männer kennen, aber zu einer richtigen Beziehung kam es nie.
    „Die acht Jahre, die ich dort verbracht habe, waren sehr schön. Aber wenn man schwule Kontakte haben will, kostet es Mühe. Es gibt keine eindeutigen Treffpunkte, und wenn du in eine normale Kneipe gehst und dir jemand gefällt, musst du erst mal herausfinden: Ist der nun schwul oder nicht? Ich mag lieber den einfachen Weg. Das gefällt mir an Köln. Hier kann man schnell und unkompliziert jemanden kennen lernen und hat nichts zu befürchten.“
    Als Shaker vor zwei Jahren entschied, sich für längere Zeit in Deutschland niederzulassen, wusste er über das schwule Leben bereits bestens Bescheid. Im Internet hatte er davon erfahren, Informationen über die Szene eingeholt und erste Kontakte geknüpft. Es war die Offenheit im Umgang mit Homosexualität, deretwegen er überhaupt herkam.
    In Bonn wohnen Verwandte, bei denen er übergangsweise Unterschlupf fand. Er nahm an einem dreimonatigen Sprachkurs teil, fand einen Job als Herrenschneider an einem Theater, und vor zwei Monaten nahm er sich schließlich eine Wohnung in

Weitere Kostenlose Bücher