Grenzen der Sehnsucht
Reaktionen von den Sendern so verhalten waren. Die Telefondrähte sind bei uns danach nicht gerade heißgelaufen.“
Unbeeindruckt von den Ergebnissen der Umfrage zeigt man sich etwa bei RTL, dem größten Privatsender Deutschlands. „Wir machen Fernsehen für alle“, bemerkt der Pressesprecher etwas hilflos und verweist darauf, dass der Sender mit Anders Trend doch eine spezielle Sendung für Schwule im Programm habe.
Mehr Gedanken um die schwule Repräsentanz im Mainstream-Fernsehen machen sich inzwischen die Privatsender in den USA, wo Showtime und HBO die Drehbücher ihrer eigenen Serien von speziellen Teams bearbeiten lassen, um sie homokompatibel zu machen. Auf diese Weise sind Erfolgsserien wie Six Feet Under, Sex and the City, The L-Word und Oz herausgekommen, die in der Community Kultstatus genießen – und weit darüber hinaus. Deutschland hinkt in dieser Frage hinterher. Hier weigert man sich beispielsweise seit Jahren, die Homo-Serie Queer as Folk ins Programm zu nehmen, die in England und den USA selbst heterosexuelle Zuschauer vor den Bildschirm lockt. In keiner anderen Fernsehserie wird schwules Leben so authentisch gezeigt. Dem deutschen TV-Publikum ist das offenbar nicht zuzumuten; mehr als ein paar schwule TV-Kommissare und oberflächliche Komödien sind hierzulande nicht drin. Höchstens mal ein tränenreiches Drama, das Schwule eindeutig als Opfer kennzeichnet.
„Die größere Risikobereitschaft von Fernsehsendern in den USA hängt mit Diversity zusammen“, erklärt sich Stuber den Unterschied. „Das ist eine andere Firmenkultur, die über Jahrzehnte gewachsen ist.“
Diversity – das ist ein amerikanisches Schlagwort für eine Art von Management, bei der es darum geht, Menschen nicht mehr unbedingt gleich zu behandeln, sondern sie mit all ihren Unterschieden und Eigenheiten zu betrachten. Dazu zählen unter anderem Religion, Alter, Herkunft und eben auch die sexuelle Orientierung.
Unternehmen wie Motorola und Kodak sind schon seit längerem Vorreiter von Diversity. Auch der Automobilhersteller Ford gehört dazu, der die Diversity-Philosophie als erstes Großunternehmen in Deutschland einführte. Am Stammsitz der Fordwerke am Rheinhafen in Köln-Niehl, die rund 16.000 Mitarbeiter beschäftigen, gründete sich die erste betriebsinterne Homo-Organisation in der Bundesrepublik. Die Schwulen und Lesben von Ford sind stolz darauf und marschieren Jahr für Jahr beim Kölner Christopher Street Day mit – unter einem Banner, auf dem das Firmenemblem abgebildet ist. Das wäre vor 30 Jahren undenkbar gewesen.
Michael Stuber hat sich mit seinem Kölner Büro auf Diversity spezialisiert. Zu seinem Kundenstamm zählen Siemens, Allianz und die Deutsche Bank, die als eine der ersten erkannt haben, dass Schwule und Lesben nicht nur unverzichtbare Mitarbeiter sind, sondern auch Produkte und Dienstleistungen konsumieren. Darum haben sie sich dazu entschlossen, in schwul-lesbischen Publikationen zu werben. Die entscheidende Erkenntnis lautet: Eine alleingültige Marketingstrategie für eine große Mehrheit zieht inzwischen nicht mehr. In einer ausdifferenzierten Gesellschaft müssen unterschiedliche Gruppen unterschiedlich angesprochen werden.
„Es hat sich gezeigt, dass Diversity nicht nur eine Mode ist, sondern ein Trend, der sich nicht mehr umkehren lässt“, sagt Stuber.
In Deutschland sind wir dabei erst am Anfang. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis schließlich auch die großen Fernsehsender das Potenzial für sich entdecken werden.
Kölner Bärenkult:
Ein gefährliches Tier in einer geschützten Welt
Im Hintergrund läuft karnevalistisch angehauchte Weihnachtsmusik: „Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätä“. Das Ambiente ist rustikal, der Geräuschpegel hoch, und mitten im Gedränge balancieren flinke Kellner große, runde Tabletts mit Kölschgläsern zwischen vollbesetzten Tischen. Die Brennerei Weiß am Hahnentor unterscheidet sich eigentlich kaum von einem der üblichen Brauereihäuser der Stadt. Doch das Lokal verkörpert mehr als nur eine typische Kölner Tradition, zumindest für die Schwulen und Lesben der Stadt. Es ist ein multisexueller Mikrokosmos, eine Szene-Institution, an der keiner vorbeikommt. Hier halten die Aktivisten des Lesben-und Schwulenverbandes ihren Stammtisch ab wie auch der Bund lesbischer und schwuler Journalistinnen. Die Mitglieder des Homo-Motorradclubs treffen sich hier regelmäßig auf ein Bier, genauso wie die Kölner Transmänner.
Auch Promis kriegt
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