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Grenzen der Sehnsucht

Grenzen der Sehnsucht

Titel: Grenzen der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Kraemer
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als Kind häufig mit seinen Eltern den Wohnort wechseln musste, zog nach Hamburg, wo sie einstweilen glücklich leben. Das heißt, nicht ganz. Eine gewisse Restunruhe treibt die beiden an, obgleich sie es sich eigentlich ganz heimelig eingerichtet haben. Heimelig, aber nicht althergebracht: so konventionell Svens und Bastians Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft auch sein mögen, so wenig ist es die Wohnung. Jeder hat nämlich seine eigenen vier Wände für Aktivitäten und Rückzug, wie in einer Wohngemeinschaft, dafür gibt es kein Wohnzimmer: „Wir brauchen beide unsere Freiräume; die klassische Heteroaufteilung kommt für uns nicht in Frage.“
    Die Einrichtung ist bunt durcheinander gewürfelt, und doch hat man den Eindruck, dass sich alles harmonisch zusammenfügt. Manches Möbelstück hat Bastian selbst entworfen, denn von Beruf ist er Industriedesigner. Das Küchenfenster gibt den Blick auf einen ruhigen, grünen Innenhof frei, mitten in der Stadt.
    Die meisten können von einer solchen Wohnung nur träumen. Und doch wollen Bastian und Sven weg von hier.
    „Wir träumen von einem schönen Leben in einer schönen Landschaft“, sagt Bastian.
    Eigentlich ist es viel mehr als nur ein Traum. Die Pläne sind schon relativ konkret: Ein Gehöft in Schleswig-Holstein wollen sie beziehen, irgendwo in einem Dorf nahe Hamburg, aber nicht zu zweit, sondern als Hofgemeinschaft, zusammen mit einem befreundeten Hetero-Paar und deren Kindern. Zurzeit sind sie auf der Suche nach einem geeigneten Objekt.
    Aber ist das nicht eine riesige Umstellung, zumindest für Sven, der immer nur in der Großstadt gelebt hat und nie rausgekommen ist?
    „Mein soziales Umfeld ist mir wichtig. Ich möchte meine Kontakte nach Hamburg halten“, sagt er, der im Unterschied zu Bastian eine Art geographisches Heimatgefühl empfindet. „Heimat bedeutet für mich allerdings eher der Norden. Aber ich werde natürlich auch versuchen, im Dorf Anschluss zu finden, also bei der Skatrunde in der Kneipe oder im Sportverein.“
    Das hört sich wagemutig an. Zugezogene Großstädter werden in der Provinz meist skeptisch beäugt, und für das Schwulsein gibt es von den Einheimischen eher keine Bonuspunkte.
    Doch Sven gibt sich zuversichtlich. Angst vor Ausgrenzung hat er nicht. Schließlich hat er die Erfahrung schon hinter sich.
    „Wenn man schwul ist, ist man irgendwann mal ausgegrenzt worden und musste sich damit auseinander setzen“, sagt Sven. „Das prägt. Ich habe daraus gelernt. Zum Beispiel, dass es keine falschen Gefühle gibt. Es gibt nur falsche und richtige Umgehensweisen damit.“
    Und doch wollen Sven und Bastian ein Zimmer in Hamburg behalten, irgendwo in einer WG.
    Weil sie dem erhofften Frieden doch nicht ganz trauen?
    „Nein“, erwidert Bastian, „weil wir diese Stadt lieben und gerne regelmäßig hierher kommen wollen.“
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    Pornokitsch, wohin man schaut. Fickende Gartenzwerge, dralle Frauenbrüste aus Gummi, aufziehbare Hüpf-Penisse und so genannte Vagina-Sucker. Die Schaufenster der Sex-Shops auf der Reeperbahn sind voll von diesem Zeug, das vor allem bei vorbeiziehenden Schulklassen und Touristengruppen für hysterische Lachkrämpfe sorgt.
    „Boah, ey, guck dir mal dieses Teil hier an!“
    Die Luft riecht nach Bratfett; in den Seitenstraßen türmen sich leere Bierkisten vor Kaschemmen. Gespreizte Frauenbeine als Wandgraffiti weisen den Eingang zur Traditionskneipe Ritze, in der alte Pornostreifen laufen und im Keller geboxt wird, dass die Fetzen fliegen. Und zwar täglich ab 14 Uhr.
    Ungefähr um diese Zeit erwacht Deutschlands geilste Meile allmählich aus dem Schlaf. Ganz langsam. So richtig in Fahrt kommt sie erst am frühen Abend, wenn die Lichtreklame aufgedreht wird, wenn es blinkt und glimmert wie sonst nur in Las Vegas oder Hongkong.
    „Hereinspaziert!“, ruft eine Frau mit aufgedunsenem Gesicht vor einem „erotischen Kabarett“. Sie trägt Anzug, Schlips und Zylinder.
    „Heute auch für versaute Pärchen!“ grölt sie einem verunsicherten Mann hinterher, dessen Frau sich brav unter dem Ellbogen ihres Gatten eingehakt hat.
    Auf der gegenüber liegenden Seite, direkt am Spielbudenplatz, zieht eine Bühne die Leute magisch an, auch solche, die ansonsten der Gegend eher fernbleiben: das Schmidts Tivoli, eines der populärsten Theater der ganzen Stadt.
    Ein langjähriger Dauerbrenner, der auch heute gespielt

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