Grenzenlos ermitteln - 23 Raetsel-Krimis
die Stille, er wird von der gegenüberliegenden Felswand zurückgeworfen und explodiert in meinem Trommelfell.
Eilig stolpere ich durch den Tunnel, stoÃe auf Luca und Lena, die eng umschlungen in einer Nische stehen, zwänge mich an ihnen vorbei und komme zum Ausgang. Hier halte ich mich fest und schaue in die Tiefe. Weit unten liegt Vera auf einer Felsplatte, es sieht übel aus.
Strinzl steht etwa 50 Meter entfernt.
Langsam gehe ich zu ihm hinüber. Der Weg ist hier sehr schmal, das Stahlseil würde ich niemals freiwillig loslassen. Nun komme ich zu einer Stelle, die nicht einfach zu begehen ist, eine schmale Brücke, weit unter mir rauscht der Fluss, da liegt auch Vera. Hier muss es passiert sein. Ich atme tief durch. Die Angst ist kaum auszuhalten. Wenn nun die Brücke einbrechen würde? Oder das Drahtseil reiÃen? Doch herrscht hier â objektiv gesehen â Absturzgefahr?
Fest verankerte Haken, das Stahlseil leicht ausgefranst, da hängen einige schwarze Fäden, daneben ein weiÃer Strich am Fels.
»Vera war eine gute Berggängerin«, sagt Strinzl, als ich endlich bei ihm bin. »Daher habe ich mich auf den Weg konzentriert. Sie war immer hinter mir. Plötzlich dieser Schrei, sie war nicht mehr da! Ich bin zurückgegangen, da sah ich sie unten in der Schlucht liegen, es ist grauenhaft!«
Vorsichtig verlassen wir die Schlucht, ich will nicht auch noch abstürzen. Endlich erreichen wir die Alpweide. Luca versucht, Lena Reiffer zu beruhigen, Kurt Strinzl lässt sich neben mir ins Gras sinken.
»Was jetzt, Claudio?«
»Jetzt warten wir, bis der Hubschrauber der Polizei hier ist! Dann werde ich erzählen, warum Vera wirklich abgestürzt ist.«
Was ist in der Schlucht passiert?
Lösung
Vera war ängstlich, sie hätte das Stahlseil niemals losgelassen. Der weiÃe Strich weist darauf hin, dass Kurt hier das Kuhhorn festgeklemmt hatte. Die Fäden am Drahtseil beweisen, dass Vera bis zu diesem Zeitpunkt das Seil festhielt und nie ohne äuÃere Einwirkung abgestürzt wäre. Das Kuhhorn hat sie aber so erschreckt, dass sie loslieà und stürzte.
Manfred Baumann
Merana und der tote Klingone
Merana liebte den Geruch von Kirschen. Aber nicht, wenn er ihm als Aroma einer penetranten Schnapsfahne entgegenwehte. Und das aus dem Mund eines Rheinländers, dessen schweiÃnassen kahlen Schädel eine schief aufgesetzte Plastikkrone zierte. Und der zum wiederholten Male, keine zehn Zentimeter vor Meranas Gesicht, lallte: »Sssie müssen mir glauben, ich war es nicht! Fragen Sssie die Japsssen, die können das besseugen!« Die ausholende Bewegung, mit der er auf die kleine Gruppe der Japaner deutete, hätte ihn fast das Gleichgewicht gekostet.
Kommissar Martin Merana atmete tief durch und überlieà den Besoffenen seinem Kollegen Otmar Braunberger, der den torkelnden Mann am Arm packte und auf einen Stuhl bugsierte. Daneben saà eine übergewichtige Rothaarige, der pausenlos die Tränen über die schminkeverschmierten Wangen tropften, während sie zitternd an den rosafarbenen Hasenohren auf ihrem Schoà herumdrückte, die offenbar zu ihrem Kostüm gehörten.
Merana war kein Karnevalfreund. Pappnasen und Verkleidungen waren nicht das seine. Und schon gar nicht mitten im Sommer. Er fand durchaus Gefallen an Menschen in Kostümen. Aber auf der Bühne des Festspielhauses und nicht im Speisesaal einer in die Jahre gekommenen MittelklasseÂpension am Stadtrand von Salzburg.
Merana blickte in die Runde.
Die vier Japaner, zwei Männer und zwei Frauen, hatten ihre Kostüme abgelegt. Nur im aufgetürmten Haar der jün geren Frau, die sich ängstlich an die ältere klammerte, schaukelte noch ein grün-gelber Schmetterling.
Es war schon ein Haufen merkwürdiger Gestalten, der den Kommissar da anstarrte.
Zwei hoch aufgeschossene Männer im Mozartkostüm, ein dicker Endfünfziger mit Batmanumhang, drei Frauen in Toga, die aussahen wie zu griechischen Göttinnen aufgemöbelte biedere Hausfrauen, daneben eine Art Förster in Lederhose, ein Kartenspieler mit einem Karo-Buben auf dem T-Shirt, ein venezianischer Gondoliere mit Strohhut, ein Vampir mit verrutschten Zähnen. Und drauÃen im Garten lag ein toter Zuckerbäcker aus Ohio, verkleidet als Klingone, mit eingeschlagenem Schädel.
Merana sah auf die Uhr. Drei Stunden nach Mitternacht. In acht Stunden wollte er
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