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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kröger
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Plastik.
    »Retro Future«, flüstert Nick.
    »Bis auf die da.« Mattie nickt zu den Tierköpfen an der Wand. Die armen Viecher wirken völlig deplatziert in diesem Ambiente. Bestimmt findet das auch Frau Walther, die, wie Mattie vermutet, keins der Tiere erlegt hat.
    »Das ist ’ne Kunstausstellung, Mattie. Verstehst du nicht.« Nick kichert. Es scheint ihm besser zu gehen, seit sie quer durch die Republik jagen. Mattie gähnt. Schlaf hat sie nicht viel gekriegt. Nur das Adrenalin hält wach.
    Hans-Jürgen Walther bringt den Kaffee selbst herein. Von seiner Frau haben sie bisher nur eine Stimme im Off gehört. Er stellt das Silbertablett ab. »Bitte bedienen Sie sich.« Hellgelber Kaschmirpullover, dunkle Hose, Golfschuhe. Walther ist ein gepflegter Mann, der viel Mühe darauf verwendet, sein Alter runterzuspielen. Etwas zu gleichmäßig gebräunt. Etwas zu weiße Zähne. Etwas zu betont jovial. Er setzt sich in den Designersessel neben den Kamin.
    Sein Blick hat die Arroganz eines Menschen, der andere bewertet. Mattie überlegt. War der Mann nicht Personalchef bei einer Fluggesellschaft? Ob der alle Leute nach Normgrößen und Konfektionsmaßen beurteilt? Körbchengröße 75 C. Sie fühlt sich ausgezogen. Trotz der sommerlichen Temperaturen zieht sie den Reißverschluss ihrer Trainingsjacke ganz nach oben.
    »Es geht also um den Ausbau des Frankfurter Flughafens?« Er rührt seinen Kaffee um. Kein Zucker, nur ein Tropfen Milch.
    Nick rührt ebenfalls. Dann baut er in aller Ruhe sein Mikro auf. Den Flughafen hat er als Hebel angesetzt, um reinzukommen. »Nein«, sagt er und nimmt einen Schluck Kaffee. »Da müssen Sie mich falsch verstanden haben. Es geht um den sogenannten Wildschwein-Prozess, den Jagdunfall, der sich heute zum zwanzigsten Mal jährt.«
    Mattie beobachtet ihn unauffällig durch halb geschlossene Lider, damit ihr keine Regung des Mannes entgeht. Er hat sich gut unter Kontrolle, nur an seiner Schläfe wird eine Ader sichtbar.
    »Gehen Sie bitte. Sonst rufe ich die Polizei.« Er steht auf.
    Nick bleibt sitzen und legt nach. »Wussten Sie, dass Uwe Jahn vor einigen Wochen umgebracht wurde?«
    »Was?« Er schwankt, greift nach der Lehne des Sessels. Es hat ihn unvorbereitet getroffen. So etwas kann man nicht vortäuschen. Oder doch?
    Mattie schlägt die Beine übereinander. »Wo waren Sie denn am 16. Juni, Herr Walther? Setzen Sie sich doch, dann redet es sich netter.«
    Er setzt sich wieder hin. Aus Schwäche, nicht weil er es netter haben möchte. »Warum hätte ich Uwe Jahn ermorden sollen?«
    Nick beugt sich vor. Der Jäger. Die Verhältnisse haben sich umgekehrt. »Hat Jahn Sie am 15. Juni angerufen?«
    Walther sieht zum Fenster. Der hat jetzt anderes im Kopf als Körbchengrößen. Geschieht ihm recht. »Warum sollte er mich anrufen? Die Beziehung zwischen Uwe Jahn und mir war rein geschäftlicher Natur. Ich für meinen Teil habe damals alles mit Jochen Wedemeier geregelt. Nachdem ich meine Haftpflichtversicherung informiert habe, selbstverständlich.«
    »Ihre Versicherung ?« Nick sieht aus, als würde er den Mann am liebsten schütteln.
    Walther strafft sich. »Jeder Jäger hat eine Haftpflichtversicherung. Vorschriftsmäßig. Die Versicherung regelt eventuelle Schadensersatzansprüche. In diesem Fall hat sich jedoch niemand gemeldet.«
    »Ja, haben Sie denn jemals versucht, mit den Angehörigen der beiden Opfer Kontakt aufzunehmen?«
    »Nein.«
    Mattie ist sicher, dass der Mann ruhig schlafen kann. Er ist sich keiner Schuld bewusst.
    »Ich möchte Sie jetzt wirklich bitten zu gehen. Meine Frau und ich sind zum Golf verabredet.«
    »Bitte geben Sie uns den Namen Ihrer Versicherung.« Nicks Stimme zittert. Verachtung. Wut.
    Walther nennt einen großen Konzern.
    Mattie steht auf, geht zu ihm und streckt ihm die Hand hin. Fester Händedruck. Ihrer auch. Kung-Fu. »Auf Wiedersehen.«
    Er sieht sie nicht an. Nick packt sein Mikrofon in die Tasche.
    »Wenn Sie wissen wollen, wen Jahn angerufen hat, fragen Sie doch Wedemeier!« Es bricht aus ihm heraus, gehässig. »Der Jahn gehörte dem ja vorher schon. Der hat mit ihm geredet wie mit seinem Hund! Wenn der jemanden anrufen wollte, dann bestimmt sein Herrchen.«
    Im Flur plötzlich ein Geräusch. Mattie dreht sich um. Nick hat eine Tür vor den Kopf bekommen. »Oh, Entschuldigung.« Aus dem Keller kommt eine alternde Blondine im Bademantel. Auch sie tiefbraun. Sicher haben die alles im Haus, Sauna, Pool, Solarium. Die Frau trägt zu viele Klunker. Und

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