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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kröger
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Liegestuhl auf der anderen Seite der Karre fallen.
    »Und du? Wirst du nicht langsam ein alterndes Mädchen?« Allein wie sie dasitzt, die Knie hochgezogen, Arme fest darumgeschlungen.
    »Ja, kann sein.« Sie sieht ihn nachdenklich an. Kein ätzender Spruch? »Ich denke gerade darüber nach, was ich mache, wenn ich mal groß bin.«
    Nick muss lachen.
    »Jetzt guck mich nicht so an.« Diesmal meint sie Azim. »Kommst du freiwillig zu mir, oder muss ich dich bestechen?« Umständlich hebt sie ihn aus dem Wagen. Nick sieht lieber woandershin. Soll sie nur machen. Innerlich stellt er sich auf das kommende Gebrüll ein. Es bleibt still. Nicht hingucken.
    Links unter dem Schuppenvordach sitzen Leute, die auf den zweiten Blick nicht ins Bild passen. Sie trinken auch keinen italienischen Kaffee oder Rhabarberschorle. Nick schielt nach rechts. Mattie und Azim sind nicht mehr da. Nicht überreagieren jetzt. Er versucht, sich wieder auf die Leute unter dem Dach zu konzentrieren. Schlagzeilen gehen ihm durch den Kopf, eine polizeiliche Räumung im Görlitzer Park, als er noch in Bombay war. Mehrere Romafamilien, die hier über den Sommer ihr Lager aufgeschlagen hatten. Nicks Interesse ist geweckt. Er steht auf und schlendert an dem überdachten Betonstreifen vorbei.
    Ein heiseres Lachen lässt ihn aufhorchen. »Zigarette?« Die Frau sieht ihn herausfordernd an. Ist die in seinem Alter? Älter? Keine Spur von devotem Gebettel.
    Nick lacht. »Sorry, ich rauch nicht mehr.«
    Ihre Aufmerksamkeit ist schon zum nächsten Spaziergänger weitergewandert. Er kann den Blick nicht abwenden, andererseits hat er das Gefühl, Leuten in einem gläsernen Haus beim Leben zuzugucken. Ein Mann rasiert sich, eine Frau wäscht ihr Kind mit Wasser aus einem Eimer. Junge Männer rauchen und unterhalten sich.
    »Na? Heimweh nach Bombay?«
    Nick dreht sich um. Mattie hat Azim auf der Hüfte sitzen, der zufrieden an einem Wassereis saugt. Nick verzieht das Gesicht. »Eigentlich soll er nicht so viel Zucker und künstliche Farbstoffe –«
    »Nick!« Mattie macht seine Grimasse nach. »Wenn du dich hören könntest!« Sie dreht sich weg und murmelt verschwörerisch in Azims Ohr, der begeistert in ihre kurzen Haare greift und daran zieht.
    Nick guckt wieder zu der Frau mit dem Lachen rüber. Ja, er hat Heimweh nach Bombay. Und verdammt, er hätte gern eine Zigarette. »Ich geh mal kurz rüber zum Spätkauf. Willst du auch was?«
    Mattie schüttelt den Kopf. »Wir sind zufrieden. Oder, Azim?« Das rote Eis kleckert auf seinen neuen Body. Sein Mund sieht aus, als hätte er den Lippenstift von Jasmin gefunden. Auch egal jetzt.
    Als Nick vom Kiosk kommt, eine Schachtel American Spirit – wenigstens organischer Tabak – in der Hand, bietet sich ihm eine Szene wie aus einem Film. Mattie mit Azim auf dem Arm. Steht ihr gut. Von rechts kommt einer dieser militanten Radfahrer angejagt, Kopfhörer auf, guckt nicht links, nicht rechts, Kinder, Hunde, Gehbehinderte, mir doch scheißegal. Im selben Moment hat der Junge unter dem Dach es satt, mit Seife eingeschäumt zu werden. Er greift nach dem Plastikeimer, blitzschnell hat er ihn über den Kopf gestülpt, Wasser spritzt auf Beton, und schon ist er weg, auf der Flucht vor seiner keifenden Mutter. Nick macht die Augen zu. Kollision unausweichlich.
    Es scheppert nicht.
    Langsam macht er die Augen wieder auf. Mattie hat den Wicht mit dem Eimer auf dem Kopf an der Hand, Azim immer noch auf der Hüfte. Sie ruft dem Fahrradfahrer hinterher, der sich umdreht und ihr den Mittelfinger zeigt. Nick geht näher ran.
    »Fick dich!« Mattie muss immer das letzte Wort haben. Der Kleine hat den Eimer abgenommen und guckt sie bewundernd an. Die Mutter kommt dazu. Nick will Mattie Azim abnehmen, wird jedoch von einer Frau mit blonden Dreadlocks überholt.
    »Lässt du mich mal bitte durch?« Sie bringt sich zwischen Mattie und der Mutter des Jungen in Position. »Falls die Polizei kommt oder es sonst Ärger gibt, ruft bitte hier an. Wir versuchen dann, was für euch zu organisieren.« Sie drückt Mattie einen Flyer in die Hand.
    Nick prustet los. Die Frau mit den Dreads wirft ihm einen wütenden Blick zu und geht weiter zu den Leuten unter dem Dach. Mattie dreht sich um. Schwarze Haare, braune Haut, das Kind genauso.
    »Du fällst hier nicht auf.« Nick lächelt sie an.
    »Ja?« Mattie starrt auf den Zettel in ihrer Hand. »Ich gehör lieber hier dazu als zu deinem hippen Kreuzberger Volk da drüben.«
    »Klar«, sagt Nick,

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