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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kröger
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Das Licht geht aus. Sie tastet sich zu dem orange leuchtenden Punkt und macht es wieder an. Horcht in die Stille. Was, wenn er ihr hinter der Tür auflauert? Vielleicht hat er seine Familie zu Hilfe geholt? Und sie hat nichts weiter als einen Wischmopp in der Hand und ein Messer im Stiefel. Keine guten Gedanken. Adriana schließt die Augen und denkt für einen Moment an Vater. Wie er die Arme ausbreitet in ihrem Traum. Lass mich jetzt nicht im Stich, Vater.
    Sie klingelt.
    Nichts passiert.
    Sie wartet.
    Das Licht geht wieder aus.
    Vorsichtig drückt sie gegen die Tür. Sie gibt nach. Adriana stellt Wischmopp und Eimer in der Ecke ab, damit niemand darüber fällt. Sie schiebt die Tür auf, bis ein wenig Licht in den Flur scheint. Mondlicht. Es brennt keine Lampe in der Wohnung. Der Griff nach dem Messer im Stiefel, zum zweiten Mal in drei Tagen. Langsam geht sie hinein, Schritt für Schritt. Der Flur, dahinter das Zimmer mit dem großen Fenster, das sie schon kennt. Der Mond steht über dem Meer. Ein Bild wie aus einem Traum. Der Raum sieht genauso aus wie beim letzten Mal. Nein, doch nicht. Auf dem flachen Tisch zwischen Sofa und Sessel liegt ein rechteckiges Päckchen. Geldnoten. Adriana nimmt sie in die Hand. Es sind grüne Hunderteuroscheine, mit einer Banderole. Wo ist der Mörder? Versteckt er sich hier irgendwo?
    Es ist kühl. Die Tür zum Balkon ist offen. Vorsichtig, in alle Richtungen witternd, bewegt sich Adriana darauf zu. Das Wasser schimmert im Mondlicht wie flüssiges Metall. Ist da jemand? Der Balkon ist leer. Niemand kann sich hier verstecken. Sie geht hinaus, stellt sich jedoch so, dass sie die Tür im Auge behält. Von hinten wird er sie nicht erwischen.
    Plötzlich dringen Stimmen an ihr Ohr, weit unten im Hof. Was ist da los? Motorengeräusch. Flackerndes Licht, bläulich. Sie hat so ein Licht schon einmal gesehen. Damals, als sie die Großmutter abgeholt haben.
    Adriana nimmt ihren Mut zusammen und beugt sich über das Geländer, das Messer in der Hand. Unten, ganz klein, liegt der Mörder. Wie ein erlegtes Tier. Keuchend stützt sich Adriana am Geländer ab.
    Geräusche. Schritte. Stimmen. In der Wohnung.
    Der Umriss eines Mannes in der Tür zum Balkon.
    »Vorsicht, sie ist bewaffnet!«
    Adriana starrt auf das Messer in ihrer Hand.
    »Polizei! Lassen Sie das Messer fallen! Sofort!«
    Sie weiß, was kommt. Sie kennt das Gefühl aus dem Traum. Der Boden gibt unter ihr nach. Adriana lässt das Messer fallen und sinkt auf den kalten Beton. Um sie herum trampeln schwarze Stiefel.

17. Juni 2012, Kreuzberg
Berlin, Deutschland
    Heute hat sie das erste Mal gekocht. Spaghetti mit Pilzen und Salat. War nicht super, aber sie haben alle nett aufgegessen und keiner hat gemeckert. Bettina kennengelernt, die andere Anwältin. Durchtrainiert. Hart. Braungebrannt mit Fältchen um die Augen. Nicht so entspannt wie Volker. Jeder spielt eben seine Rolle, in so einem Laden genau wie im sonstigen Leben. Bettina hat Mattie ganz schön gegrillt. Wie sie eigenverantwortlich das Netzwerk aufbauen will für ihre Öffentlichkeitsarbeit. Ob einem das Wort Eigenverantwortung irgendwann zu den Ohren rauskommt?
    Nick hat ihr das Fahrrad von Jasmin gegeben. Die fährt zurzeit lieber S-Bahn, damit sie morgens und abends noch lesen kann. Alles für die Karriere. Das Fahrrad ist leicht wie eine Feder. Deswegen muss sie es auch überall mit reintragen. In die Kanzlei. In ihren Bus. »Auf keinen Fall draußen anschließen!« Dein Besitz macht dich ängstlich, Nick.
    Sie schiebt das Fahrrad über die Schlesische und fährt an den Speichern vorbei. Hier hat Cal seine Bollywoodshow inszeniert. Cal. An dieser Ecke taucht er jedes Mal vor ihrem inneren Auge auf wie ein Hologramm. Außer Nick ist ihr vielleicht nie jemand so nahegekommen. Das Lied, das er ihr über Skype vorgesungen hat.
    Isi Baat Pe.
    Sie kriegt die Melodie nicht mehr richtig hin. Cal fehlt ihr von innen. Jeden Tag. Einer, mit dem sie sich vorstellen konnte irgendein mögliches Leben zu teilen. Mit Kindern? Ist doch Quatsch. Ist auch zu spät jetzt. Cal ist in Bombay. Cal liebt Männer. Überleg dir was anderes als diesen Kleinfamilienkram, Mattie. Lass dich nicht anstecken. Sei kreativ!
    Sie biegt am Osthafen ab und atmet auf. Wind! Wellen. Mattie vermisst das Meer. Das Meer und das Kung-Fu-Training. Bei Kamal ist sie nicht so sicher. Der Schnitt ist noch zu frisch. Je schneller sie fährt, desto mehr Wind bläst ihr ins Gesicht.
    In null Komma nix ist sie am

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