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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kröger
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Täter nicht drangekriegt haben.«
    Nick gerät für einen Moment aus dem Konzept. Damit hat er nicht gerechnet. Ein Berg mit einer Haltung. Aussterbende Gattung. Brontosaurus.
    »Wir haben ja damals nicht mal die Leichen am Tatort selbst gesehen. Wäre heute gar nicht mehr zulässig. Die wurden hier einfach angeliefert.« Berghaus kommt erstaunlich schnell aus seinem Stuhl hoch und geht zum Aktenschrank. »Wenn ich mich nicht täusche, habe ich noch meine Aufzeichnungen vom Prozess.«
    Der Traum eines Rechercheurs. Warum können nicht alle Leute ihre Aufzeichnungen der letzten zwanzig Jahre griffbereit herumstehen haben? Das würde vieles vereinfachen.
    Berghaus zieht einen Ordner heraus, schwebt leichtfüßig zurück zu seinem Stuhl und lässt sich hineinfallen. Der Stuhl ächzt. »Wir konnten denen weder mutwillige Tötung noch unterlassene Hilfeleistung nachweisen. Die Schwere der Verletzung hat bei einem der beiden Männer sofort zum Tod geführt. Marius Voinescu. Der andere, Niculai L ă c ă tu ş , könnte seiner Verletzung nach aber noch länger gelebt haben.«
    Mähdrescherfahrer Helmut hat auf Nick nicht gewirkt, als leide er unter Halluzinationen. »Der Erntearbeiter behauptet, er habe noch geatmet.«
    Berghaus winkt ab. »Ich weiß. Aber die Verteidigung war so eine Nobelkanzlei aus Frankfurt am Main. Die haben immer neue Experten aus dem Westen angeschleppt. Da vergingen Jahre mit der Erstellung von Gutachten. Und der Zeuge, der am Anfang noch ganz sicher ist, kann sich plötzlich nicht mehr richtig erinnern.«
    »Die Feuerwehrleute wurden nie vernommen.«
    Der Gerichtsmediziner vertieft sich in seine Aufzeichnungen. Er hat eine gestochene, fast zierliche Schrift, so viel kann Nick erkennen. Was verrät die Handschrift über die Persönlichkeit eines Menschen? In diesem Fall sicher einen interessanten Gegensatz. »Stimmt. Ich war zu jedem Prozesstag bei Gericht. Sinnlos herumgesessen hab ich da und wurde den West-Experten als Zeuge zum Fraß vorgeworfen.« Berghaus klappt den Ordner zu. »Wenn Sie mich fragen, dann wurde in diesem Fall schlampig ermittelt.«
    »Würden Sie in einem neuen Prozess nochmals aussagen?«
    »Natürlich.« Er haut auf den Ordner, dass es kracht. »Und wissen Sie auch warum? Ich glaube, wenn das damals Roma gewesen wären, die zwei Deutsche erschossen hätten, dann wäre diese Ermittlung anders verlaufen. Und das passt mir nicht.«
    Nick ist sicher, dass Volker diesem naturgewaltigen Riesen endlich die Schau vor Gericht inszenieren wird, die er verdient. Ein Geschenk des Himmels. »Noch nicht wegstellen, bitte.« Er hebt die Hand. »Ich hätte gern für meine Geschichte einen persönlichen Einstieg. Könnten Sie vielleicht kurz vorlesen, was die Toten bei sich hatten? Steht das in Ihren Aufzeichnungen, oder kenne ich das nur aus Filmen?«
    »Meinen Sie etwa meinen Kollegen Doktor Quincy?« Berghaus lässt ein donnerndes Lachen los und schlägt den Ordner wieder auf. »Ah, hier haben wir es. Voinescu. Ein halb verbranntes Notizbuch. Ein Portemonnaie mit zweihundert Mark. Eine Armbanduhr mit Kunstlederarmband …« Ohne Pathos verliest er die Liste der Dinge, die Marius und Niculai auf ihrem Weg nach Deutschland bei sich hatten. Viele sind es nicht. Und dennoch: Da sind sie, die Puzzlestücke. Die Gegenstände ergeben zusammen ein imaginäres Bild. Nicht mehr nur die Namen zweier Opfer.
    Zwei Männer laufen über ein Feld an der Grenze.
    Nick kann sie sehen.
    Eine halbe Stunde später drängelt er sich in den voll besetzten Konferenzraum der Staatsanwaltschaft. Schölling ist bereits dabei, die Fakten aufzuzählen. Todesursache: Sturz aus dem achten Stock. Von Fremdeinwirkung ist auszugehen, leichte Druckstellen an der Schulter wurden lokalisiert. Eine dringend tatverdächtige Frau rumänischer Nationalität wurde noch an Ort und Stelle vorläufig festgenommen und befindet sich in U-Haft.
    »Woher wusste die Polizei von der Sache?« Das ist der Mann vorn in der ersten Reihe.
    »Jemand hat den Notruf gewählt. Ein Augenzeuge. Ich bin nicht befugt, Ihnen Näheres zur Identität dieser Person zu sagen. Bitte haben Sie Verständnis.«
    »Ist es richtig, dass die Frau eine Zigeunerin ist und dass es sich um feigen Raubmord handelt?«
    Nick reckt den Kopf, um den Frager zu sehen. Ein Typ mit Brille und Anzug, ganz außen.
    Ungefähr in der Mitte des Raumes springt eine Rothaarige auf. »Dass Sie sich hierher trauen!« Sie sieht sich um. »Oder glaubt hier einer, der Redakteur der

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