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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kröger
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auf. Die Gerste bewegt sich im Wind. Niemand kommt, um ihm zu helfen.

26. Juni 2012, Treptow
Berlin, Deutschland
    Die Sonne weckt sie auf. Zu Hause geht das nicht, also ist sie im Internat. »Raluca?« Nadina macht die Augen auf und dreht sich um. Raluca schläft rechts von ihr. »Weißt du, was ich –« Keine Raluca. Kein Traum.
    Alles wahr. Sie ist in Berlin. Was dieser Liviu gestern gesagt hat. Papa in dem Feld. Woran hat er gedacht? Wusste er, dass er sterben würde? An manchen Tagen zögert sie das Aufwachen hinaus. Heute nicht. Der Schlaf war dumpf. Und dunkel. Wie der Tod.
    »Guten Morgen.«
    Sitzt Mattie schon lange da? Nadina hustet. Ihre Lippen sind trocken.
    »Möchtest du einen Kaffee?«
    Sie nickt. Und ’ne Kippe. Kurz darauf hält sie den heißen Becher in der Hand.
    »Da hinten ist ein Schiff, auf dem kann man schwimmen. Und heiß duschen. Ich leihe dir einen Badeanzug.«
    Nadina kann nicht schwimmen. Im Internat gab es eine AG. Aber allein im Nichtschwimmerbecken herumstehen? Wie peinlich ist das denn!
    »Ich hab Kopfschmerzen. Kann ich draußen auf dich warten?«
    Mattie sieht sie erstaunt an. »Wieso draußen?« Sie wühlt in dem Kasten unter dem Bett. Zieht ein Handtuch heraus. »Na ja, wie du willst. Hier sind die Schlüssel vom Bus.« Sie setzt sich auf einen der Sitze und schnürt sich die Joggingschuhe zu.
    »Du lässt mich hier alleine?« Nadina stützt sich auf.
    Mattie zeigt hinter sich. »Du weißt ja, wo das Klo ist. Aber sei sparsam mit dem Wasser, wir haben nicht mehr viel.«
    »Hast du keine Angst, dass ich –«
    Sie ist schon auf dem Weg zur Tür. »Dass du was?«
    »Na ja, deine Sachen hier.«
    »Hör mal zu.« Mattie bleibt stehen. »Ich denke, wir haben einen Deal. Ich helfe dir, an dein Geld zu kommen, damit du nicht nach Frankreich musst. Außerdem hab ich nichts außer dem Laptop hier. Der ist fünf Jahre alt. Wenn du ins Internet willst, klapp ihn auf. Wenn du was klauen willst, geh woandershin.«
    Und schon ist sie weg. Ist die jetzt sauer, oder was? Wieso wohnt die überhaupt allein in diesem Bus? Hat sie keine Familie? Jeder hat doch wohl irgendjemanden. Und so scheiße sieht Mattie gar nicht aus. Bisschen alt vielleicht, aber wenn sie sich die Haare färbt… Nadina beobachtet, wie Mattie über den Parkplatz davonläuft. Figur ist noch ganz okay. Kein Hängearsch.
    Aus dem einen Van nebenan steigt eine schwangere Frau. Putzt sich die Zähne am Waldrand. Liviu kommt hinterher. Er hat einen kleinen Jungen auf dem Arm. Der muss wohl mal kacken.
    Nadina steigt aus dem Bett und zieht sich an. Den Kaffee nimmt sie mit nach draußen. Mist, ihre Kippen sind alle. »Liviu!«
    Er kommt mit seinem Sohn zu ihr rüber, zögert. »Guten Morgen.«
    »Hast du ’ne Kippe?«
    Er gibt ihr eine.
    »Erzähl mir von Deutschland!«
    Liviu ist überrascht. Hat er erwartet, sie würde noch mal von Papa anfangen?
    »Komm mit«, sagt er. »Sitz bei uns, und ich erzähle dir davon.«
    Als Mattie zurück ist, gehen sie zu einem Bahnhof in der Nähe und nehmen einen Zug in die Stadt. Mattie liest Zeitung. Kein Wunder, dass die niemanden kennenlernt. Die sieht ja keiner. Nadina starrt aus dem Fenster. Ein Fluss. Alte Häuser. Neue Häuser. In Bucure ş ti tragen alle Frauen Make-up und hohe Schuhe. Hier nicht.
    Sie steigen aus und überqueren einen Platz mit Hochhäusern.
    »Das ist der Alexanderplatz.« Mattie zeigt auf eine Bude mit Backwaren. »Hast du Hunger?« Bevor sie antworten kann, steht Mattie am Verkaufstresen. Nadina ist es nicht gewohnt, dass man sich was zu essen kauft, wenn man Hunger hat. Krass, wie einfach das geht.
    »Das ist eine Käsestange.«
    So was gibt es in Rumänien auch. Sie ist hungriger, als sie gedacht hat.
    »Ach ja, und hier ist dein Geld von gestern. Vierzig Euro. Hat Volker mir gegeben. Unterschreiben kannst du später.« Mattie gibt ihr zwei blaue Zwanzig-Euro-Scheine.
    Nadina kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ihr erstes selbstverdientes Geld. Sie faltet die Scheine und steckt sie in die Hosentasche mit dem Reißverschluss. iPod. Irgendwann mal. Scheiße, nein, und Mama hat nichts zu essen. Kein iPod.
    In der Bank ist es ziemlich voll. Die meisten Leute stehen an Geldautomaten. Keiner aus ihrer Familie hat ein Konto. Wozu auch? Das Geld kommt und geht in einem Rutsch. In der Schule gab es jeden Monat Taschengeld in bar von der Erzieherin. Raluca hat ’ne Visacard von ihren Eltern, klar.
    Mattie winkt sie nach hinten, wo man warten muss, bis ein Tisch frei

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