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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Behrmann
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Treffplatz im Viertel hätten.
    Trotz meiner Reaktion im Büro zögerte ich, das Lagerhaus, in dem meine Mutter gestorben war, zu betreten. Nicht aus Respekt vor Kay oder aus Angst vor seiner Warnung; ich musste den Gefühlsaufruhr in mir zum Schweigen bringen.
    Während ich noch mit mir rang, bemerkte ich, wie ich mir immer wieder auf die Lippen biss, um Blut zu schmecken. Elandros hatte sich darüber gewundert, dass ich mich noch nicht wie eine Verhungernde auf seine Bluthuren gestürzt hatte. Ich mich nicht.
    Früher hatte mich eine Freundin gefragt, ob ich ihr mit ihrer Insulinspritze helfen könnte. Ich konnte nicht. Der Gedanke jemand anderen etwas Spitzes in den Körper zu rammen, verursachte mir jetzt noch Gänsehaut. Dass ich im Prinzip genau das vor nicht allzu langer Zeit bei Ian gemacht hatte, verdrängte ich.
    Aber auch wenn ich nicht wie eine von diesen Pornoschwestern aus den Draculafilmen nach Blut lechzte, merkte ich doch, wie mich der Geschmack ein wenig ruhiger werden ließ. Selbst wenn es nur mein Eigenes war.
    Ich ging zum Rolltor und drückte es zur Seite. Im Innern war es dunkel. Ich ließ die Tür offen, damit das Licht der Laternen mir meinen Weg ein wenig ausleuchten konnte. Meine Schritte hallten viel zu laut wieder. Ich versuchte, vorsichtiger aufzutreten, aber es brachte nicht viel.
    Mit Absicht mied ich die hintere Wand, an der noch immer die große Kiste stand und widmete mich der Nische, in der Feng die Fotos gefunden hatte.
    Einige Bilder lagen auf dem Boden. Ich pflückte die übrigen von der Kistenwand und hob die restlichen von der Erde auf.
    Die Frauen darauf sahen sich, abgesehen von meiner Mutter und mir, nicht ähnlich. Ich fragte mich, was es war, was sie gemeinsam hatten. Wonach suchte der Vampir seine Opfer aus? Und warum verfolgte er die einen und ließ sie mit dem Leben davon kommen und tötete die anderen?
    Ich steckte die Bilder ein, mit dem Vorsatz, mich später im Büro über den Zustand der anderen Frauen auf den Fotos zu vergewissern. Das bedeutete eine Menge Arbeit, aber wollte man Elandros und Kay glauben, hatte ich jetzt mehr als genug Zeit.
    Sieh an, der erste Vorteil, den mein Vampirdasein mit sich brachte, dachte ich mit bitterem Lächeln.
    Etwas hinter mir quietschte. Die Tür!
    Ich drehte mich um. In der Öffnung stand Samhiel. Ich musste die Augen zusammenkneifen, um ihn richtig erkennen zu können. Irgendetwas um ihn verzerrte das Licht. Um ihn oder hinter ihm…
    »Was machst du alleine hier?«, fragte er mich, wirkte aber nicht so besorgt, wie seine Worte klingen sollten. Eher amüsiert. Als wäre seine Prognose eingetroffen.
    »Ich sehe mich um. Roumond hat Kay eine Art Nachricht zukommen lassen.«
    »Was für eine Nachricht?« Samhiel sah sich misstrauisch im Lagerhaus um. Ich wusste nicht, ob Engel normalerweise ins nächste Warenhaus gingen, um sich einzukleiden. Falls ja, hatte mein persönliches Exemplar sich für den Moment auf schlicht und schick geeinigt. Mehr als ein weißes Hemd und eine schwarze Hose trug er nicht. Unter dem dünnen Stoff sah ich allerdings die seltsamen Zeichen, die seinen Körper bedeckten.
    Ich wandte den Blick ab.
    »Einen Anhänger, den er Feng gegeben hatte. Agnes Marberg hat ihn bei sich gefunden.«
    »Wer?«
    »Die Frau, die… Roumond lange Zeit verfolgt hat.«
    Samhiel strich mir die schweren, roten Haare aus der Stirn. Unwillkürlich schloss ich die Augen.
    »Das ist dir schwer gefallen.« Keine Frage, eine Feststellung.
    Ich sah wieder auf und strich mir dieselben Haarsträhnen nun hinter die Ohren. Zu meiner Beruhigung waren sie immer noch rund. Der Zauber wirkt.
    »Und woher wusstest du, dass ich hier bin?«, fragte ich, um abzulenken. Er lächelte schief. Anscheinend war mein Versuch plumper, als ich gedacht hatte.
    »Ich weiß, wo das Wort ist – also auch, wo du bist.«
    »Charmant.«
    »Ja, so bin ich«, schmunzelte er und sah sich wieder im Lagerhaus um. »Allerdings wollte ich dich aus einem bestimmten Grund finden.«
    Ich sah ihn abwartend an.
    »Ich denke, dass Roumond nicht das größte Problem ist, das wir haben.« Das schöne Gesicht war ernst geworden und genau das brachte mich dazu, ebenso ernst zu werden. »Was denn noch?«
    »Ich habe dir doch erzählt, dass in Himmel und Hölle die Herrscher fehlen.«
    Ich nickte.
    »Anscheinend hat einer der Dämonen eine ähnliche Idee gehabt, wie ich. Zumindest ist er in dieser Welt und sucht.«
    Ich presste die Lippen aufeinander. »Also, was habe ich jetzt

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