Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
nur zu gern alles essen würde, was er servierte, wenn er wie ein gottesfürchtiger Koch kochen würde. Jedenfalls freute ich mich auf eine Mahlzeit ohne Streitereien und Maden.
Während der Tisch gedeckt wurde, zog sich Havram in eine Ecke zurück, wo er die Siegel der Mitteilungen aufbrach. Wir anderen vertieften uns in eine etwas zähe Unterhaltung, weil die Seeleute sich in Gegenwart von Reiter Basel, Laurel Faena, Hauptmann Suiden und mir nicht allzu wohl fühlten – und zwar in dieser Reihenfolge. Ich hielt es für das Beste, nicht aufzufallen, also hockte ich stumm da, während Servietten, Silberbesteck, Gläser, Weinflaschen und schließlich abgedeckte Platten, Schüsseln und Terrinen auf den Tisch gestellt wurden. Eine appetitliche Mischung aus verschiedenen Aromen waberte durch die Kajüte, und einige Männer sogen genießerisch die Luft ein. Andere ließen sich sogar zu einem Lächeln hinreißen. Ich dagegen – zum Teufel! Ich würde mich bei diesem Dinner fühlen wie jemand, der verdurstend mitten auf dem Meer hockt und keinen Schluck zu trinken hat.
Der Koch hob den Deckel von der größten Platte und enthüllte einen großen Braten. Onkel Havram trat zum Tisch und rieb sich die Hände. »Prächtig, prächtig!« Er strahlte seine Gäste an. »Wir haben erst heute eine Kuh geschlachtet, also ist das Fleisch ganz frisch.« Er setzte sich hin, der Koch reichte ihm mit einer förmlichen Verbeugung Tranchiermesser und Gabel und trat dann zurück, die Hände vor dem Bauch gefaltet. Havram rammte die Gabel in den Braten, aus dem sofort der Saft spritzte. »Ah, unser Koch macht mich stolz, edle Herrn.« Er setzte das Messer an und schnitt den Braten in Scheiben. Als die erste zur Seite fiel, enthüllte sie ein rosafarbenes Inneres, aus dem ebenfalls der Saft lief. Der Geruch von Rinderbraten erfüllte die Kajüte. »Perfekt«, erklärte Havram. »Ausgezeichnete Arbeit, Mann!« Der Koch verbeugte sich, aber als die Gäste applaudierten, schob ich meinen Stuhl zurück und flüchtete im Laufschritt aus der Kajüte. Ich erreichte die Reling gerade noch rechtzeitig und stellte fest, dass Schiffszwieback genauso schlecht schmeckt, wenn er hochkommt, wie wenn er hinunterrutscht.
Ich hatte gerade aufgehört zu würgen, als ich jemanden hinter mir hörte. Erst wollte ich mich nicht umdrehen, doch dann hielt ich es für besser, nach allem, was passiert war. Es war jedoch nur Onkel Havram. Ich richtete mich mühsam auf, nahm Haltung an und wartete.
»Geht es dir gut, Junge?«
Ich nickte. »Jawohl, Sir. Es ist nur so …« Ich lächelte gequält. »Ich esse kein Fleisch.«
Seine Augen funkelten. »Es war wohl ein bisschen viel für dich, als ich den Braten angeschnitten habe, was?«
Ich schluckte. Mein Mund schmeckte nach Galle. »Jawohl, Sir.«
»Dein Hauptmann hat den Koch gebeten, einen speziellen Teller für dich zuzubereiten.« Havram lehnte sich an die Reling. Er blickte hinab und rückte ein Stück zur Seite, um der Stelle auszuweichen, an der ich mich übergeben hatte. Er schwieg, während ein Seemann herankam, einen Eimer Wasser über die Stelle goss, salutierte und wieder verschwand. Als er so dastand, mit gefalteten Händen und aufs Meer hinausblickte, sah er plötzlich meinem Pa ähnlich. Mir schnürte sich die Kehle zusammen. »Ich habe die Mitteilungen überflogen«, sagte er unvermittelt. »Darin steht, dass Maceal in diese Schmuggelei verwickelt war.«
Es war zwar keine Frage, aber ich antwortete trotzdem. »Jawohl, Sir. Und noch andere Adlige vom Hof.«
Der Vizeadmiral knurrte und murmelte etwas, das verdächtig nach »Schwachköpfe« klang.
»Obwohl es so aussieht, als hätte er nichts mit dem Umsturzversuch gegen den König zu tun«, setzte ich hinzu, um ihn zu trösten.
Havram akzeptierte das mit einem Nicken. »Du warst dabei. Erzähl mir, was passiert ist, Junge.«
»Es war so, wie Hauptmann Suiden es geschildert hat, Sir. Lord Gherat war der Kopf des Schmugglerrings. Lord Chause …«
Havram warf mir einen scharfen Blick zu, als ich den förmlichen Titel seines Bruders benutzte.
Ich verzog die Lippen. »Er war nicht sonderlich beeindruckt von mir, Sir.« Ich tat Chauses Verachtung mit einem Schulterzucken ab. »Jedenfalls stellte er die Schiffe, mit denen die Schmuggelware über den Banson transportiert wurde, bevor sie bis zum Verkauf in seinen Lagerhäusern versteckt wurde.«
»In ›seinen‹ Lagerhäusern? Du meinst, er hat die Lagerhäuser unserer Familie benutzt?« Havram war
Weitere Kostenlose Bücher