Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
wieder, Mylord«, erklärte er entschlossen, »sobald wir an Deck sind.« Er nahm ein paar Decken von einer Koje und trat zur Leiter.
Geködert durch die Obstschale, stieg ich die Leiter hoch, eingeklemmt zwischen dem Doyen und Laurel. Als ich oben ankam, blinzelte ich in die Sonne und versuchte, sofort wieder unter Deck zu verschwinden.
»Es ist tatsächlich etwas irritierend«, gab Doyen Allwyn zu, unterband dennoch meinen Fluchtversuch und schob mich zur Seite, damit Laurel ebenfalls heraustreten konnte. Anschließend versperrte er mir den Fluchtweg. »Aber sie scheinen recht wohlwollend zu sein.«
Ich gab einen erstickten Laut von mir, während ich eine Baumelfe anstarrte, die um ihren Baum trauerte; in ihrem Geisterschatten lagen ein Einhorn und ein Leopard. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass sie das nicht getan hätten, wenn sie noch am Leben wären, jedenfalls nicht gleichzeitig. Der Tod brachte es wohl mit sich, dass man seine Perspektive änderte. Ich sah mich um und beobachtete, wie Matrosen und Soldaten zwischen den Schatten etlicher Geister umhergingen. Einigen der Männer traten die Augen aus den Höhlen, und ihre Nackenhaare waren sichtlich gesträubt. Geister von Baumelfen, Wölfen, kleinen, pelzigen Tieren, großen Raubkatzen, Hirschen mit prachtvollen Geweihen und großen Bestien mit Hörnern und Stoßzähnen gingen, schritten, tappten, schlichen, trotteten, schlenderten und flitzten umher. Und es schien so, dass alle, die Lebenden und die Toten, ihre Köpfe wandten und mich ansahen.
Ich stöhnte erneut und versuchte wieder durch die Luke zu verschwinden. Aber Laurel und Allwyn hielten mich jeder an einem Arm fest und »halfen« mir zu einer schattigen Nische.
»Hauptmann Suiden und Vizeadmiral Havram haben beide sehr nachdrücklich darauf bestanden, dass Sie gesehen werden, wie Sie einigermaßen gesund herumlaufen«, sagte Allwyn. »Ohne ein zusätzliches Paar Augen oder Klumpfüße oder andere Male des Teufels an Ihnen.«
»Sie können mich gern in meiner Kabine besuchen, Sir.« Ich versuchte, mich aus ihrem Griff zu befreien.
»Sie sollen am Tage in der Sonne herumlaufen, Lord Hase«, erklärte Laurel, »ohne in Flammen aufzugehen.«
Kurz darauf saß ich auf einer Bank, in Decken gehüllt, falls ein kalter Wind auffrischte. Ich zog eine beleidigte Miene, weil ich wie ein zahnloser Greis behandelt wurde, was Laurel mir sichtlich übel nahm; er trat zur Seite, als Basel in seiner Hirschgestalt heranschritt. Der Geist machte seinen Anspruch auf mich deutlich, indem er sich in Pose warf, das Geweih hob und seinen Blick hoheitsvoll über die anderen Geister schweifen ließ.
»Arschkriecher«, murmelte ich, was Basel mit einem Zucken seines Stummelschwänzchens kommentierte.
Ich wollte die Decken abwerfen. »Nein, Hase, tut das nicht«, sagte Laurel, während sich seine Augen vor Belustigung zu schmalen Schlitzen zusammenzogen. »Mir zu Gefallen.«
»Mir scheint, ich habe Euch bereits hinlänglich Gefallen erwiesen«, erwiderte ich, gab jedoch nach. Außerdem fühlten sich die Decken ganz gut an, weil es tatsächlich ein wenig frisch war. Ich zog sie bis zum Hals hoch.
Laurels Schnurrhaare legten sich an seine Wangen, als er grinste. Doch sein Amüsement verpuffte, als er sich umsah und die unerschütterliche Aufmerksamkeit der Geister bemerkte. »Ich bin derjenige mit der Affinität zur Erde, und doch benehmen sie sich, als wäre ich ein talentloser Köter. Stattdessen sind sie auf Euch fixiert, als wäret Ihr Lady Gaias Gefährte, der gekommen ist, uns zu erretten.«
»Gefährte, Botschafter Laurel?«, erkundigte sich Allwyn.
»Der Mond, Ehrenwerter Ältester.« Laurel legte den Kopf schief. »Wann seid Ihr geboren, Hase?«
»Am zweiten Tag der Erntezeit. Warum?«
»Das passt zu Eurem Aspekt.« Laurel fing Allwyns verdutzten Blick auf. »Es gibt vier Aspekte, die zu den vier Jahreszeiten passen, Ehrenwerter Ältester. Normalerweise wird jeder, der über einen Aspekt verfügt, in der entsprechenden Jahreszeit geboren. Ich wurde im Frühling geboren, der Zeit des Erwachens und Neubeginns, der Zeit der Schwüre, Weihen und Versprechungen, der Vereinigung und Paarungen, der Zeit des Zyklus des Lebens, der Geburt und Heilung, des Vergehens und des Todes. Wir vom Aspekt Erde sind Heiler, Jäger, Bauern, Seher und Schamanen.«
Doyen Allwyn sah erst Laurel und dann mich fasziniert an. »Und Lord Hase?«
»Er wurde im Herbst geboren, der Zeit der Reife und Erfüllung, der Loyalität,
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