Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
wünscht, Ehrenwerter Ältester, werde ich die Glocken für Euch entfernen, zu einem günstigeren Zeitpunkt. Ich empfehle Euch jedoch dringend, sie anschließend zu läutern.« Er griff nach seinem Stab. »Ich schlage weiterhin vor, dass Ihr und alle, die mit Prudences Leiche zu tun gehabt haben, sich ebenfalls läutern.«
»Sagt, Botschafter Laurel«, mischte sich Hauptmann Javes ein, »warum könnt Ihr einen solchen Stab besitzen?«
»Wie ich Hauptmann Suiden und Leutnant Groskin bereits sagte, ist die Elfe, die ihn mir gab, noch bei bester Gesundheit«, erwiderte Laurel und kniff die Augen zusammen. »Wir Faena müssen uns Zeremonien und Ritualen unterziehen, bevor uns ein solcher Stab ausgehändigt wird, richtig, Lord Hase?«
Die schwere Last auf meinen Schultern hob sich ein wenig, als ich Laurel angrinste. Ein Kleriker wandte sich angewidert ab. »Orgien«, murmelte er.
»Zeremonien!«, konterte ich. »Daran ist nichts Ausschweifendes.« Mein Grinsen verstärkte sich. »Meine verehrten Eltern hätten sich niemals zu so etwas Schamlosem herabgelassen.« Man konnte zwar die Nachkommen aus einem Haus entfernen, nicht aber das Haus aus den Nachkommen, obwohl mein Grinsen noch breiter wurde, als ich an eine solche Zeremonie und die Geburt meiner kleinen Schwester neun Monate danach dachte. Plötzlich fing ich Hauptmann Suidens Blick auf, und mein Grinsen erlosch.
Der Hauptmann deutete auf den eingewickelten Stab. »Ist er jetzt sicher?«
Laurel nickte. Seine Perlen klickten. »Ja, Ehrenwerter Hauptmann. Die Zauber beschützen uns.«
Das Hämmern des Hagels war lauter geworden, und es blitzte und donnerte beinahe gleichzeitig.
»Groskin, lassen Sie die Wachen hereinkommen«, befahl Hauptmann Suiden. Groskin öffnete die Tür, und die Wachen, die sich in dem spärlichen Schutz des Eingangs drängten, fielen förmlich in den Raum. Wir sahen, wie hinter ihnen große Hagelkörner auf den Boden hämmerten.
»Messirs, Major«, fuhr Suiden fort. »Ich schlage vor, dass wir den Sturm abwarten.« Ein Blitz und ein Donnerschlag unterstrichen seine Worte, und alle nickten zustimmend. »Botschafter Laurel, ich schlage weiterhin vor, dass wir den Stab aus unserem Wohnquartier entfernen. Ich will nicht despektierlich wirken, aber es wäre einfacher, wenn der Leichnam der Elfe woanders ruhen würde.«
Laurel legte die Ohren flach an den Kopf. »Und wo wäre das?«
»In den Stallungen ist es gemütlich und trocken«, meinte Suiden.
Laurel schwieg einen Moment; dann richteten sich seine Ohren langsam wieder auf. »Ich kann einsehen, dass die Anwesenheit der Leiche für Unbehagen sorgen würde. Einverstanden.« Laurel reichte mir seinen Stab und griff nach dem anderen.
»Leutnant Hase, bitte begleiten Sie Botschafter Laurel«, fuhr Hauptmann Suiden fort. »Sie haben für den Rest des heutigen Dienstplans Wache.«
13
Wir brachen am nächsten Morgen nach Gresh auf. Ich hatte den Rest des gestrigen Tages und fast die ganze Nacht Wache bei den Pferden und dem Totenstab gehalten. Tagsüber war es nicht so schlimm gewesen, aber des Nachts … Ich wusste sehr genau, wo der Stab lag, denn die Härchen auf meinem Körper deuteten immer in seine Richtung, ganz gleich, wo ich stand. Es erleichterte meine Lage nicht besonders, dass nur das Gewitter, das sich über uns austobte, mir Licht spendete. Ich wusste nicht, was schlimmer war: mit dem Rücken zu dem Stab zu stehen und mir vorzustellen, was hinter mir vorging, oder ihn anzusehen und mich zu fragen, was ich in dem Licht der Blitze sehen mochte. Schließlich fand ich einen Kompromiss und stellte mich seitlich dazu auf, dicht genug an dem Postenhaus und den Stalltüren, damit ich die Flucht ergreifen konnte, wenn es sein musste. Ich wurde schließlich ein paar Stunden vor Tagesanbruch abgelöst, aber als ich eingeschlafen war, träumte ich vom Kegeln, und jedes Mal, wenn der Ball einen Kegel traf, schrie ein Baum und starb.
Es überraschte mich nicht sonderlich, dass ich bei den Packtieren und Ersatzpferden reiten musste. Hauptmann Suiden war immer noch verärgert über mich, weil ich den Doyen einen Mörder genannt hatte. Verblüfft war ich jedoch über meinen ebenfalls in Ungnade gefallenen Gefährten. Slevoic. Sein prachtvolles Pferd tänzelte, schnaubte und brach scheuend zur Seite aus. Ich warf einen Blick auf die Flanken des Pferdes, die von Slevoics Sporen bluteten. Hinter ihm kam Javes heran, auf einem noch hübscheren Pferd.
Slevoic zügelte wütend sein Pferd.
Weitere Kostenlose Bücher