Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
wurden. Eine Information, die ich allerdings besser für mich behielt.
Dyfrig starrte mich erstaunt an. »Er ist sich seiner bewusst …« Er hielt inne, als der Wind ihn umwehte und mit seiner Robe spielte. Der Doyen riss seine Augen auf, die hell glänzten. »Oh, meiner Treu«, sagte er leise.
»Sie verführen also die Kirche mit Ihrer Magie?« Lord Ranulf hielt sein Wams fest, damit es nicht flatterte, und sah Thadro an. »Und so jemanden sollen wir als Thronfolger des Königs akzeptieren?«
Ich erwartete einen weiteren Wutausbruch der Gäste bei Ranulfs Worten, aber diesmal sahen sie mich nur ebenso abschätzend an, wie Lord Beol lan mich nach dem Aufruhr gemustert hatte. Ich kam mir vor wie eine Ware auf einem Pferdemarkt und schaute zum Lordkommandeur. Der meinen Blick gelassen erwiderte. »Bitten Sie den Wind freundlichst, sich zu legen, Leutnant Hase.«
Bevor ich etwas sagen konnte, lachte der Wind leise, fuhr noch einmal durch das Haar des Doyen und erstarb. »Meiner Treu«, wiederholte Dyfrig. Dann erlosch der Glanz in seinen Augen, und er sah mich nachdenklich an. In diesem Moment flogen die Türen auf, und Lakaien strömten in den Salon, beladen mit Tellern, Silberbesteck, Kristallgläsern und Servietten. Ihnen folgten Bedienstete mit Platten, auf denen sich Speisen türmten, dazu Schüsseln, Terrinen und Krüge mit heißem, gewürztem Wein. Alle drehten sich um und verfolgten die Prozession. Ehrfürchtiges Schweigen machte sich breit, als Jussons Koch in einer weißen Schürze mit seinem Gefolge den Raum betrat. Sie trugen Tabletts mit Pasteten, Baisers, Cremes, Senf und Sülze. Der Chefkoch hatte eine spektakuläre mehrstöckige Torte in den Händen, von der ein köstlicher Duft nach Äpfeln und Gewürzen ausging.
»Nun, das kam sehr gelegen«, sagte jemand.
Ich blickte zu dem Sprecher. Es war Lord Beol lan, der mit Friedenshüterin Chadde nun neben mir stand. Anders als Lord Ranulf war der Lord von Fellmark nach südlandischer Mode gekleidet; er trug ein Hemd mit Rüschen aus Spitze, eine Brokatweste, einen eng anliegenden Gehrock aus feiner Wolle und eine passende Hose. Da er seinen gefiederten Hut abgesetzt hatte, sah ich sein nördliches, hellblondes Haar. Er war zwar glatt rasiert, trug jedoch ebenfalls Kriegerzöpfe mit Bändern in der Farbe seines Hauses. Allerdings hingen sie nicht an den Seiten seines schmalen Gesichts herab, sondern waren in den makellos schönen Zopf eingeflochten. Beol lan schien sich jedoch des auffälligen Gegensatzes zwischen nordischem Barbarentum und südlandischer Geckenhaftigkeit nicht bewusst zu sein, vielleicht kümmerte es ihn auch nicht; jedenfalls beobachtete er aufmerksam Lord Ranulf, der sich zu einer Gruppe Lords aus den Südlanden vor dem Kamin gesellt hatte.
»Ja, das war es.« Thadro war Lord Fellmarks Blick gefolgt. »Sehr gelegen.« Er bedachte mich mit seinem Schlammpfützenblick. »Denken Sie doch einmal nach, Hase.«
»Jawohl, Sir«, antwortete ich. »Aber was geht hier vor?«
Lord Beollan musterte den Lordkommandeur. »Sie haben es ihm nicht gesagt, Thadro? Ist das klug?«
»Was haben Sie mir nicht gesagt, Sir?«
Thadros Miene wurde frostig. »Hauptmann Suiden mag Ihnen die Freiheit eingeräumt haben, Fragen und Forderungen zu stellen, Leutnant Hase, aber bei den Königstreuen ist das nicht vorgesehen.«
Ich erstarrte fast bei dem Gedanken, dass Suiden irgendjemandem irgendwelche Freiheiten eingeräumt haben könnte. Doch bevor ich etwas sagen konnte, trat Chadde dichter zu mir.
»Sie reiben sich Ihre Hand, als täte sie Ihnen weh, Lord Hase«, bemerkte sie. »Haben Sie sich im Gefängnis daran verletzt?«
Ich riss meinen Blick vom Lordkommandeur los und schüttelte den Kopf. »Nein, Madam«, erwiderte ich. »Es sind nur Flohbisse, und die jucken höllisch.« Ich öffnete die Hand und suchte nach den verräterischen roten Flecken … und blinzelte erneut, als die Rune auf meiner Handfläche hell strahlte. Ihr Licht beleuchtete Chaddes Gesicht, und sie blinzelte selbst, bevor sie sich neugierig vorbeugte.
»Hölle und Verdammnis, Hase!« Thadro trat vor und schirmte mich und die Rune vor den Gästen ab. »Die Leute hier wissen, was das ist.«
Das stimmte. Anders als in den südlichen Landstrichen war hier im Norden die Erinnerung an den letzten Krieg mit den Grenzlanden noch frisch im Gedächtnis, vor allem jener Teil, in dem die Rune gegen die Königliche Armee eingesetzt worden war und jeder Soldat nicht nur die Wahrheit über sich
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