Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
war nicht das Einzige, was ich vermisste. Während ich dem Lordkommandeur folgte, sah ich mich suchend nach Lord Esclaur ibn Dhawn e Jas um, dem Junker, der zu der Delegation gehört hatte, die von Jusson letztes Frühjahr in die Grenzlande geschickt worden war. Mir fiel auf, dass nicht nur er abwesend war, sondern auch sämtliche jüngeren Edelleute fehlten, die Jussons Junggesellenhofstaat bildeten. Bis auf seine Königstreuen, seinen Lordkommandeur und seine Dienerschaft war der König allein nach Freston gekommen.
Als Thadro drei bequem wirkende Sessel erreicht hatte, die an der dem Kamin gegenüberliegenden Wand standen, stellte er sich hinter den linken. Ich folgte seinem Beispiel und baute mich mit dem Gesicht zu den Gästen hinter dem rechten auf. Im selben Moment fiel mir auf, dass noch mehr Leute fehlten. Es war niemand von der Garnison anwesend, nicht einmal der Garnisonskommandeur.
»Kommen die Hauptleute Suiden und Javes, Sir?«, fragte ich Thadro leise.
»Das hat Sie nicht zu kümmern, Leutnant«, erwiderte Thadro ebenso leise. »Ihre Verbindung zur Garnison ist durchtrennt.«
Ich unterdrückte ein Stirnrunzeln, sah wieder in den Raum und begegnete dem Blick von Doyen Dyfrig. Meine regelmäßigen Besuche der Abendmesse hatten Friedenshüterin Chadde offenbar genügt, fielen jedoch bei dem Haupt der Kirche von Freston nicht sonderlich ins Gewicht. Ich ließ meinen Blick rasch von seiner grimmigen Miene zu Bürgermeister Gawell wandern. Seine Gnaden wirkte noch mürrischer, und als ich rasch wegsah, fiel mein Blick auf Lord Beol lan von Fellmark. Er lächelte, und ich grinste zurück, erleichtert, endlich ein freundliches Gesicht gefunden zu haben. Außerdem gab es doch eine weibliche Präsenz in dieser geballten Masse Männlichkeit. Hinter Beollan stand Chadde, gewohnt gelassen. Offenbar hatte sie einen besonderes guten Eindruck auf König Jusson gemacht, denn sie war die einzige anwesende Stadtbeamtin. Sie hatte sich sogar die Zeit genommen, nach Hause zu gehen und ihre Lederhose gegen ein schlichtes, graues Kleid zu tauschen. Als sie meinen Blick erwiderte, fiel mir auf, dass ihr Gewand keineswegs so schlicht war. Es hatte die Farbe ihrer Augen, die im Licht der Kerzen zu glühen schienen.
»Neben dem König, Thadro?« Ein Hoher Lord hatte sich vorgedrängt und vor uns aufgebaut. Er hatte die Beine gespreizt und die Fäuste in die Hüften gestemmt. »Er ist ein Hexer, und Sie platzieren ihn neben Seine Majestät?«
Ich blickte nach unten. Er hatte recht. In die hölzerne Rückenlehne des mittleren Stuhls war eine Krone geschnitzt. Als ich hochsah, begegnete ich dem kalten Blick des Adligen. Ich erwiderte ihn finster und spürte einen Daumen in meiner Seite.
»Leutnant Lord Hase ist kein Hexer, Ranulf«, erwiderte Thadro, während sich jetzt auch noch die knochige Spitze seines Ellbogens in meine Rippen bohrte.
»Ich kenne Hauptmann Suidens Jungs«, erklärte Bürgermeister Gawell. »Und dieser Heide da ist nicht Hase.« Er schob sich durch die Menge und stellte sich neben Lord Ranulf. Gawell trug eine schwarze Samtrobe mit leuchtend rot unterfütterten Schlitzen an den Ärmeln, und diese Farbe fand sich nicht nur an seinem bestickten Kragen und den Manschetten wieder, sondern auch an seiner Hose. Was bei einer kleineren Gestalt modisch ausgesehen hätte, wirkte bei ihm schlicht überwältigend, und zwar wegen seiner Korpulenz. Selbst seine Amtskette hing nicht herunter, sondern ruhte schräg auf seinem Bauch, sodass das siebenzackige Sternmedaillon jedem ins Gesicht blitzte, der vor ihm stand.
Gawells Wangen waren gerötet, und er starrte mich böse an. »Du zerstörst meine Stadt, nicht wahr? Du Dämonenbrut!«
Das Gemurmel verstärkte sich, und einige Einheimische versuchten verstohlen, mit Gesten das Böse abzuwehren, während die Adligen ganz unverhohlen ihre Hände auf ihre Schwertgriffe und Dolche legten. Ich fühlte ein Kribbeln, als meine Rune zu jucken begann. Meine Hand zuckte zu meinem Schwertgriff. Verdeckt von den Stühlen packte Thadro meinen Ärmel und hielt meinen Arm fest.
»Natürlich ist das Hase, Gawell!«, erklärte Doyen Dyfrig. Er musste sich nicht durch die Menge drängen. Die Menschen bildeten bereitwillig eine Gasse, damit er neben den Bürgermeister treten konnte. »Er war gestern Abend in der Kirche, ist bis zur letzten Hymne und dem Abschlussgebet geblieben. Außerdem sagte mir Chadde, dass er heute Morgen auf dem Theaterplatz ganz munter war und dort versucht
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