Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
weg von zu Hause?«
Erneut grollte Laurel. »Wie Ihr ganz richtig sagtet, bin ich eine Katze. Und Katzen neigen dazu, weit herumzuwandern.« Er ließ das Bein der Leiche sinken und widmete sich den Kleidern des Opfers. Er nahm das Hemd des Oberschließers und hielt es ausgebreitet gegen eine Laterne. Obwohl ich die Augen zukniff, als der Geruch nach Kot mich fast überwältigte, sah ich, dass das Hemd vom Kragen bis zum Saum aufgeschlitzt worden war. Und obwohl es von Schmutzflecken übersät war, gab es kein Blut darauf, nicht einmal Löcher, die zu den Stichwunden in der Brust des Toten gepasst hätten. Jemand hatte Mencks Hemd sorgfältig aufgeschlitzt, bevor er ihn erstochen hatte.
»Ich habe von ihm gehört«, sagte Lord Ranulf, der sich an Chadde vorbei zum Seziertisch drängte und den Leichnam, Laurel und mich unwillig anstarrte. »Er ist nicht nur einer dieser verdammten Faena, sondern auch irgendein Priester einer Dämonengottheit.«
Laurel war tatsächlich ein Schamane von Lady Gaia, Mutter Erde, und saß in dieser Eigenschaft allen Fruchtbarkeits-, Geburts-, Heilungs- und Sterberitualen vor. Aber selbst mein Pa, der ein gläubiger Sohn der Kirche war, hätte niemals gewagt, die Erdgöttin eine Dämonin zu nennen. Und ich, getauft, im Katechismus unterwiesen und pflichtschuldigst derselben Kirche angehörig, trat ein paar Schritte zur Seite, um etwas mehr Abstand zwischen mich und den Lord von Bainswyr zu legen. Dann wurde mir klar, was er gesagt hatte, und ich sah ihn stirnrunzelnd an.
»Sie haben von ihm ›gehört‹, Mylord?«, fragte ich. »Haben Sie Laurel nicht in Iversly getroffen?«
Thadro, der offenbar der Meinung war, dass keine akute Bedrohung mehr vorlag, hatte sich gerade dem Leichnam zugewendet. Bei meiner Frage jedoch hielt er inne und warf mir einen ärgerlichen Blick zu.
»Nein«, erwiderte Ranulf abrupt.
»Nein, wir sind uns bisher noch nicht begegnet«, erwiderte Laurel. Er legte das Hemd weg und nahm eine geflickte Lederweste hoch. Erst durchsuchte er die Taschen, dann drehte er sie nach außen. Plötzlich verfinsterte sich seine Miene, und er untersuchte die Weste genauer.
»Spielt das eine Rolle?«, wollte Lord Beollan wissen. »Sicher waren Sie und … Meister Laurel nicht an der Hüfte zusammengewachsen, während Sie sich in der Königlichen Stadt aufhielten.«
Das waren wir tatsächlich nicht. Es gab allerdings nur eine einzige gesellschaftliche Veranstaltung, an der Laurel nicht teilgenommen hatte. Und zwar eine, bei der alle Gäste Kostüme aus einer Kinderpantomime trugen und sich hinter Masken versteckten, während vergifteter Wein serviert wurde und ich in einem dunklen Garten um mein Leben kämpfen musste. Ich betrachtete Lord Ranulf und fragte mich, ob er ebenfalls ein Gast auf dem Maskenball meines Cousins Lord Teram ibn Flavan e Dru gewesen war. »Nein«, erwiderte ich gedehnt. »Laurel und ich waren nicht die ganze Zeit in Iversly zusammen.«
»Vermutlich haben Sie sich auf einer dieser Gesellschaften getroffen«, meinte Beollan. »Vielleicht fällt es Ihnen irgendwann wieder ein.« Er trat an das Fußende des Tisches und betrachtete den Leichnam des Oberschließers. »Der arme Kerl.«
Chadde drehte ihren Kopf zu Beollan und musterte ihn plötzlich eindringlich.
»Ranulf und ich haben ihn neben der Latrine dieser Taverne gefunden, die ich heute auf meinen Streifzügen entdeckt habe«, fuhr Beollan fort, ohne die Friedenshüterin zu beachten. »Wir sind gerade vom Bürgermeister zurückgekommen, dem wir vom Schicksal seines Verwandten berichtet haben. Seine Gnaden wollte die Nachricht der Frau des Mannes überbringen und dann selbst herkommen.«
»Ich dachte, Sie hätten sich in Ihr Schlafgemach zurückgezogen, Mylord«, sagte ich neugierig. Ich war sicher, dass ich seine Stimme auf der Treppe des Königlichen Hauses gehört hatte. Ebenso wie Ranulfs, aber ihn fragte ich nicht, weil ich es Thadro ersparen wollte, seine Stiefel abzuwetzen, wenn er mir auf den Fuß trat.
»Ich habe dort nur meinen Umhang, Hut und Handschuhe geholt, Lord Hase«, erwiderte Beollan und lächelte matt. »Trotz der Gastfreundschaft des Königs wollte ich noch nicht zu Bett gehen«, sein Lächeln veränderte sich nicht, »jedenfalls nicht in ein leeres. Ich war der Meinung, dass im Kupferschwein möglicherweise mein Wunsch nach … Abenteuer befriedigt werden würde.«
»Das stimmt.« Lord Ranulf blickte ebenfalls auf den nackten Leichnam, und ein Ausdruck von Mitleid huschte über
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