Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
auf dem Jahrmarkt oder wie Lisle beim Pferderennen. Ich überlegte, ob Kveta vielleicht in der Nähe der Taverne gewesen war, die Hauptmann Remke uns empfohlen hatte, und blickte auf meine Wahrheitsrune, die selbst im hellen Tageslicht, das durch die großen Fenster der Halle fiel, schimmerte. Wie der Grüne Lord gesagt hatte, hatte sie den Drachenfluch beeinflusst, nur nicht auf die Art und Weise, wie er glaubte. Der Fluch hatte alle Selbstbeherrschung ausgelöscht und zugelassen, dass wir alles, was wir wirklich dachten und fühlten, was wir sogar vor uns selbst verborgen hielten, ausspuckten.
Ihr Staub verwehe in den vier Winden.
Ich schloss die Augen und versuchte das Zittern zu unterdrücken, das mich durchlief.
»Glaubst du das, Cousin?«, fragte Jusson.
Ich öffnete die Augen. Nicht nur der König, sondern auch Thadro, Wyln, Laurel, Cais, Suiden, der Grüne Lord und sogar Munir sahen mich an. »Ich …«
»Wir müssen an Eurer Selbstkontrolle unter dem Einfluss von Stress und Müdigkeit arbeiten, Hase«, erklärte Laurel.
»Was denn?«, fragte Idwal. »Was hat er getan?«
»Magisches Zeug«, erwiderte Wyln ausweichend.
»Das könnte tatsächlich passiert sein, Magus«, sagte der Lord des Forsts. »Das könnte sehr wohl der Fall gewesen sein.«
»Sehr interessant«, meinte Munir, dessen Miene Faszination ausstrahlte, obwohl er immer noch an Suidens Krallen baumelte. »Die Wahrheitsrune verwandelte den Drachenfluch in eine Art Wahrheitszwang …«
»Ich würde nicht empfehlen zu versuchen, das nachzuahmen, Hexer«, unterbrach Laurel ihn.
»Allerdings nicht«, bestätigte der Grüne Lord. »Schon die Alten haben uns abgeraten, die Tugenden zusammen mit den Dunklen Erdzaubern zu wirken, vor allem weil die Ergebnisse auf so verheerende Weise unberechenbar sind.«
»Die Tugenden?« Munirs Augen verengten sich argwöhnisch.
»Wahrheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Wohltätigkeit, unter anderen«, murmelte Wyln. »Eigenschaften und Kräfte, die Euch zweifellos unbekannt sind.«
»Das alles spielt keine Rolle«, mischte sich Prinzessin Rajya ein, bevor Munir antworten konnte. Ihre Stimme klang immer noch heiser. »Nichts davon ist wichtig, außer dass du nach Hause kommst, Vater.«
»Tochter …«
»Versuchen Sie immer noch, Uns Unseren Vasallen abspenstig zu machen, Hoheit?«, erkundigte sich Jusson.
»Ein Vasall, den Ihr von allem fernhaltet, was er liebt, von allem, was sein Leben ausmacht!«, erwiderte die Prinzessin gereizt. Sie drehte sich herum, um ihrem Vater ins Gesicht sehen zu können. Beziehungsweise was von seinem Gesicht zu erkennen war. »Seine Erhabenheit der Amir hat sich bereit erklärt, dir dein eigenes Kommando zu übertragen. Denk darüber nach, Vater. Du könntest wieder zur See fahren …«
»Nein, Tochter«, lehnte Suiden ab. »Ich bin zufrieden …«
»Und außerdem sind Wir gerade dabei, Suiden ein Flottenkommando zu übertragen«, warf Jusson beiläufig ein.
»… dort, wo ich bin.« Suiden unterbrach sich und blinzelte verwirrt. »Sire?«
»Die Windsegler im Hafen, die zusammen mit Uns hier eingetroffen sind«, meinte Jusson. »Die Sie vom Fenster aus gesehen haben. Sie unterstehen Ihrem Befehl.«
»Meinem Befehl«, wiederholte Suiden. Er drehte sich um, hob den Kopf und blickte zum Hafen, als könnte er durch die Steine der Burg hindurchsehen.
»Abbin.« Prinzessin Rajya lehnte sich gegen ihren Vater und schloss die Augen. Eine Träne rollte über ihre Wange.
»Aber, aber«, murmelte Suiden leise und riss sich von dem imaginären Anblick seiner neuen Flotte los. »Alles wird gut.«
»Nein«, widersprach die Prinzessin, während eine zweite Träne über ihr Gesicht rollte. »Das wird es nicht. Wir brauchen dich.«
»Wie du weißt, warst du nicht ehrlich mit mir, Tochter«, erklärte Suiden.
Die Prinzessin riss die Augen auf. »Vater?«
»Wer ist ›wir‹, zum Beispiel?«
Ihre Hoheit blieb stumm.
»Sind es dieselben, an die Sro Hexer hier«, Suiden schwenkte Munir durch die Luft, sodass der Hexer heftig mit den Beinen zappelte, »mich unbedingt ausliefern wollte?«
»Ich …« Prinzessin Rajya verstummte und biss sich auf die Unterlippe.
»Du weißt es nicht, habe ich recht?«, sagte Suiden.
»Ich …«
»Nein«, unterbrach Suiden sie. »Wir reden später darüber. Aber wie auch immer unser Gespräch verläuft, ich werde hierbleiben, und auch du wirst hier bei mir bleiben.«
Prinzessin Rajyas Mundwinkel zuckten leicht nach oben, selbst als eine weitere
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