Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
und wurden jetzt bis auf Jussons Leibwache in die Kasernen von Mearden geführt. Leutnant Groskin, der sie begleitete, warf mir einen finsteren Blick über die Schulter zu. Mittlerweile wurden bereits die letzten Pferde in die Stallungen geführt. Neben meinem Schlachtross stand ein Knecht und wartete geduldig. Ich errötete und stieg hastig ab.
Jusson grinste. »Und das ist Unser Cousin, Leutnant Lord Hase ibn Chause e Flavan.«
Ich verbeugte mich. »Heil Euch, Lord Mearden.«
Lord Idwals Blick glitt über meinen Zopf, die Feder und den Stab und ruhte einen Moment auf den Schmetterlingen, die es sich wieder in meinem Mantel gemütlich gemacht hatten. Ihre bunten Flügel ragten aus meinem Kragen heraus. »Willkommen, Lord Hase«, antwortete er. Seine Miene war vollkommen ausdruckslos. Lady Margriet wiederholte seinen Gruß, blickte mich jedoch ehrfürchtig an.
Dann gab es eine leichte Unruhe unter den Königstreuen, und Bertrams strahlende Gestalt tauchte an meiner Seite auf.
»Euer Page, Lord Hase?«, fragte Lady Margriet schließlich zögernd.
»Nein«, antwortete Jusson an meiner Stelle. »Sein Koch.«
»Sein Koch«, wiederholte Idwal und musterte Bertram skeptisch. Lady Margriets Bewunderung jedoch nahm noch zu.
Jussons Grinsen verstärkte sich einen Moment, bevor er sich wieder an Idwal wandte. »Sagen Sie, haben Sie Wachposten im Wald aufgestellt? Als wir ihn durchquerten, fühlte es sich an, als würden wir beobachtet. Aber niemand trat vor, um uns anzusprechen oder sich selbst vorzustellen.«
Diesmal war Lady Margriets Gesicht vollkommen ausdruckslos, Lord Idwal dagegen nickte unbeeindruckt. »Ah«, erwiderte er. »Das war der Hüter.«
»Ach wirklich?«, sagte Jusson. »Und wer oder was ist dieser Hüter?«
»Der Legende zufolge würde dieser Hüter Mearden verteidigen, falls es jemals bedroht wäre«, antwortete Idwal. »Wir haben das lange nur für eine Legende gehalten. Doch etwa zur Zeit meines Großvaters häuften sich die Berichte über etwas Unbekanntes im Wald; es war nicht feindselig, sondern war einfach nur da und beobachtete.«
»Ihr Großvater, Idwal?« In Thadros blaugrauen Augen spiegelte sich die Neugier. »War das vor oder nach dem Krieg mit den Grenzlanden?«
»Etwa zur selben Zeit«, erklärte Idwal, während sein Blick erneut abschweifte, diesmal zu Laurel und Wyln. »Nicht jeder nimmt ihn wahr. Nur diejenigen, die besonders empfindsam für diese Atmosphäre sind …« Idwals Blick war über Javes und Suiden hinweggeglitten, doch dann zuckte er zurück. »Prinz Suiden?«, fragte er und starrte den Hauptmann an.
Suiden verbeugte sich militärisch, die Hand aufs Herz gelegt. »Heil Euch, Lord Idwal.«
Jusson hob eine Braue. »Sie beide kennen sich?«
»Wir haben Handel getrieben, als ich noch in Tural lebte, Sire«, gab Suiden zurück.
»Ich habe gehört, dass Ihr nach Iversterre gekommen und in die Königliche Armee eingetreten seid, Hoheit«, erklärte Idwal staunend. »Ich habe auch gehört, dass Ihr Euch in einen Drachen verwandelt habt …«
Suidens smaragdgrüne Augen glühten, als er plötzlich grinste und dabei seine Zähne zeigte. »Ja.«
Lady Margriet drängte sich unwillkürlich dichter an ihren Ehemann, der schützend einen Arm um sie legte.
»Keine Sorge, Mylord«, murmelte Javes, dessen Augen wolfsgelb leuchteten. »Er ist ungefährlich. Meistens jedenfalls.«
Idwal schlang seinen Arm fester um Lady Margriet, während seine andere Hand zu seinem Gürtel glitt, in die Nähe des Griffs seines juwelenbesetzten Dolches. Dann schien ihm zu dämmern, was er da tat, denn er ließ die Hand sinken, ohne jedoch den Arm von den Schultern seiner Frau zu nehmen. Er lächelte auch wieder, obwohl sein Lächeln diesmal etwas angestrengt wirkte. »Wohlan denn, ein kluger Mann hat nachdrücklich darauf hingewiesen, wie dumm es wäre, in der Kälte herumzustehen. Bitte, kommt herein. Heiße Getränke und warme Kamine erwarten uns. Und auch Eure anderen Gäste, Euer Majestät.«
Das Glühen der Verlegenheit in meinem Gesicht ebbte ab, und ich folgte Thadro, damit weder er noch Jusson meine Überraschung bei Idwals Bemerkung über weitere königliche Gäste registrierten. Suiden und Javes dagegen konnte ich nicht täuschen, ebenso wenig Wyln und Laurel. Ich wappnete mich, weil ich einen Rüffel erwartete, da ich den königlichen Plänen und Strategien nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
»Ich muss schon sagen, Hase, ein sehr gerissener Schachzug«, sagte Javes leise.
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