Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Wandschirm auf.
»Das Bad ist bereit, Euer Majestät, Mylords und Edle Herren.«
Man hatte kein Erbarmen mit mir. Finn trieb mich vor den Kamin, in dem ein großes Feuer loderte. Dort musste ich sämtliche Kleidungsstücke ablegen, ein quälendes Stück nach dem anderen, bis ich splitternackt dastand. Die anderen zogen sich ebenfalls aus; Jusson ließ sich dabei von Cais helfen. Bei Wyln, Javes, Suiden und in einem geringerem Umfang auch bei Laurel, der schließlich nur seinen Umhang und seine Federn ablegen musste, halfen königliche wie auch Burgbedienstete. Wyln hatte die Wahrheit gesagt; weder er noch Laurel wurden von überflüssiger Scham geplagt. Die anderen ebenso wenig. Sie alle schienen sich mehr für die Aussicht auf heißes Wasser und Seife zu interessieren, als es abschreckend zu finden, mit nacktem Hintern vor Fremden zu stehen. Sobald Finn mit mir fertig war, versuchte ich mein Bestes, ebenso gelassen zu wirken, drehte mich zu meiner Wanne um und begegnete Berenices Blick. Meine Füße schienen sich wie von allein zu bewegen, denn ich saß in meiner Wanne, bevor ich auch nur blinzeln konnte, und widerstand der Versuchung, mich hinter dem niedrigen Rand der Wanne zu verstecken. Dann holte ich tief Luft, lehnte mich zurück und versuchte meinen Herzschlag zu kontrollieren.
Der Abend war gerade angebrochen, und man hatte die Kerzen angezündet. Sie tauchten den abgetrennten Bereich des Bades zusammen mit dem Schein des Kamins in ein goldenes Licht. Die Schmetterlinge auf dem Sims leuchteten in schillernden Farben, so wie die Federn und Stoffstreifen an Laurels kunstfertig geschnitztem Stab, der neben meinem an der Wand lehnte. Bertram manövrierte sich vorsichtig um die Bediensteten herum. Er balancierte ein Tablett mit Pokalen voll gewürzten Weines. Die anderen nahmen sich jeder etwas zu trinken, bevor sie gemächlich in ihre Wannen stiegen. Laurel schnurrte behaglich, als er eintauchte. Nur seine Augen und seine Nase blieben über Wasser. Seine bernsteingelben Augen schimmerten im Dampf; ein wahres Badewannen-Raubtier. Jusson hielt seinen Pokal hoch, als er untertauchte und erst nach einer Weile wieder hochkam. Sein nasses, langes schwarzes Haar klebte an seinem Kopf und entblößte dezent spitze Ohren. Wyln war ebenfalls untergetaucht und lag jetzt zurückgelehnt in der Wanne. Er balancierte den Pokal mit seinen langen, schlanken Fingern auf dem Rand der Wanne und hatte seine uralten Augen geschlossen, während ihm das Wasser über sein ewig junges Gesicht lief. Seine spitzen Ohren waren in seiner schwarzen Haarmähne ebenfalls deutlich zu erkennen. Suiden hatte den Wein abgelehnt, doch seine Miene hellte sich auf, als Finn ihm Tee in einer hauchdünnen Porzellantasse servierte. Javes wiederum diskutierte leise mit einem Burgbediensteten die Eigenschaften der verschiedenen Seifen, Kräuter und Öle, die der Lakai ihm anbot.
Schließlich nahm ich mir ebenfalls einen Pokal von Bertrams Tablett und trank einen Schluck. Die Wärme des Weins breitete sich behaglich in mir aus, während das heiße Wasser der Wanne mich von außen umhüllte. Beinahe zwangsläufig entspannte ich mich, griff in mein Haar, zog die Feder heraus und legte sie auf den kleinen Hocker neben meinen Dolch. Dann löste ich meinen Zopf, tauchte ins Wasser und erlaubte ihm, die nach dem vierzehntägigen anstrengenden Ritt verspannten Muskeln zu lockern. Meine Gedanken schweiften von Berenices Gegenwart zu Kvetas überraschendem Auftauchen. Sie hatte sich nicht sehr verändert, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Das war damals gewesen, vor über fünf Jahren, als man mich als Schüler zu Magus Kareste geschickt hatte. Ich selbst hatte mich zwar verändert, aber Kveta hatte weder beim Anblick des Zopfes noch der Feder gestutzt und auch auf keine andere Veränderung reagiert. Ich fragte mich, was die Wölfin wohl über mich gehört hatte, senkte den Blick und spreizte meine Hand. Im Licht der Kerzen schimmerten die Symbole der Aspekte auf der Handfläche schwach, ebenso wie die Wahrheitsrune. Sie alle waren friedlich. Ich konnte ihr Summen eher spüren als hören. Falls Wyln seine Drohung wahr machte, würden sie morgen früh nicht mehr so stumm sein. Ich leerte den Pokal und stellte ihn auf den Rand der Wanne. Dann strich ich mit dem Finger über das Luftsymbol. Das Summen verstärkte sich, bis ich schwache Töne hören konnte, die wie das Schlagen einer Glocke klangen. Gleichzeitig fegte ein kräftiger Windstoß um den Turm
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