Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
und rüttelte an den Glasfenstern. Alle hielten inne, und einige blickten unwillkürlich zu den Fenstern hinüber. Ich ballte sofort die Faust und tauchte sie unter.
»Offensichtlich kommt ein Sturm auf«, murmelte Suiden. Er war einer der wenigen, die sich nicht gerührt hatten, sondern lehnte immer noch mit geschlossenen Augen in seiner Wanne.
»Sehr wahrscheinlich«, stimmte Jusson ihm zu. Er hatte ebenfalls nicht auf den Wind reagiert. »Haben Sie hier häufig starke Stürme, Lady Berenice?«
»Manchmal«, erwiderte die Tochter des Hauses. »In der Sturmsaison stellen wir Wächter auf, die die Sturmglocken läuten. Aber es gibt immer welche, die davon überrascht werden, sowohl auf dem Meer als auch an Land.«
Jusson öffnete die Augen zu Schlitzen. »Der Hüter hilft euch dabei nicht?«
»Nein, Euer Majestät«, erwiderte sie. »Nach den Legenden reagiert der Hüter nur auf Bedrohungen, die sich direkt gegen die Burg richten, wie zum Beispiel eine Invasion und dergleichen, aber nicht auf Naturkatastrophen.«
Jusson schloss die Augen. »Verstehe.«
»Dasselbe Problem haben wir in Elanwryfindyll«, erklärte Wyln. Ich war mehr als glücklich über diese Ablenkung und lauschte seiner melodischen Stimme, als er eine Geschichte erzählte, wie ein Sturm einmal die Schiffe im Hafen auf die Molen geschleudert hatte. Während er redete, folgte mein Blick müßig Berenice, die zügig hin und her ging. Obwohl sie die einzige Frau in einem Raum voller nackter Männer und einer männlichen Katze war, wirkte sie sehr gefasst. Gewiss, ihre Wangen waren gerötet, aber das schien mehr durch den Dampf und die Hitze als durch jungfräuliche Verwirrung verursacht zu sein. Die Luftfeuchtigkeit kräuselte die Haare um ihr Gesicht, und einige Locken fielen ihr in den Nacken und betonten ihren bemerkenswert anmutigen, schlanken Hals. Mein Blick folgte der Linie ihres Halses, wo sie unter ihrem schlichten Kleid verschwand, und glitt weiter hinab, als sie sich vorbeugte, um ein Duftwasser in Wylns Wanne zu gießen. Ihr Rückgrat bog sich in einer eleganten Kurve …
»Ich muss schon sagen, Hase«, meinte Javes.
Mein Blick zuckte zu dem Hauptmann, dessen Gesicht vollkommen ausdruckslos war.
»Bertram wünscht Ihre Aufmerksamkeit.«
Ich wandte den Kopf zur Seite und sah, dass Bertram meinen leeren Pokal weggenommen hatte und mir einen anderen hinhielt. Ich nahm ihn, trank einen Schluck und versteckte mein Gesicht hinter dem Gefäß. Es half mir nichts. Berenice fand mich trotzdem.
»Möchten Sie ein Duftwasser für das Bad, Euer Lordschaft?«, fragte sie sittsam, aber ihre Augen funkelten.
Ich murmelte meine Zustimmung, schloss die Augen und flüchtete mich ins Dunkel.
Was auch immer draußen geweht hatte, es war kein Sturm. Der Mond hatte sich zu den Sternen in dem klaren Himmel gesellt, und sie alle schienen durch die Fenster der königlichen Gemächer, als wir uns für das Abendmahl vorbereiteten. Jusson trug erneut seine bevorzugte, schlichte Kleidung mit dem Goldreif auf der Stirn. Javes, Suiden und ich hatten unsere Ausgehuniformen angelegt. Suiden und Javes trugen das Graubraun der Armee, während ich die blau-weiße Uniform der Königstreuen angelegt hatte. Meine Handschuhe hatte ich mir übergestreift, um die Symbole der Aspekte und die Wahrheitsrune zu verbergen. Die Schmetterlinge blieben auf dem Kaminsims sitzen und dösten in der Wärme des Kaminfeuers. Laurel und ich hatten unsere Federn wieder angelegt. Das Rot von meiner hob sich deutlich von den blauen und weißen Bändern ab, die Finn in meinen Zopf geflochten hatte. Zu meiner Überraschung förderte der Bedienstete eine kleine Holzkiste zu Tage und öffnete sie. Darin befanden sich mit Saphiren besetzte Manschettenknöpfe und eine diamantene Anstecknadel auf rotem Samt – Geschenke der Ehrenwerten Moraina. Ich hatte sie zum ersten und bisher einzigen Mal im Speisesaal des Fyrst von Elanwryfindyll getragen, damit alle sahen, dass ich die Gunst eines Drachen genoss. Während ich mich fragte, wem ich das diesmal zeigen sollte, hielt ich still, als Finn die Manschettenknöpfe anlegte und die Nadel an meinem Wappenrock befestigte. Laurel grollte zufrieden, während er zusah.
»Gut«, meinte Jusson, als Finn fertig war. Dann musterte er die anderen und nickte anschließend unserer Eskorte zu. Berenice war verschwunden, als wir unser Bad beendeten, deshalb wurden wir jetzt von einem höhergestellten Diener die Wendeltreppe hinabgeführt. Wir gingen diesmal etwas
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