Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
wären Sie immer noch der erste Thronfolger, als würden Sie auf der obersten Stufe des Sonnenthrons stehen und das Privileg genießen, Seiner Erhabenheit ins Gesicht zu blicken. Vielleicht hat Hase recht. Vielleicht will der Amir Sie wieder am Hofe haben …«
»Darauf pfeife ich, Euer Majestät«, erwiderte Suiden barsch.
Das Schweigen, das seinen Worten folgte, lastete schwer im Raum.
»Sie haben also nicht das Verlangen, nach Hause zurückzukehren, Prinz Suiden?«, brach Jusson die Stille.
»Nicht ich habe sein Vertrauen missbraucht«, gab Suiden zurück. »Der Amir hat meins missbraucht.«
»Ja, daran erinnere ich mich«, meinte Jusson. »Wegen einer Konkubine, der Seine Erhabenheit so viel Ehre erwiesen hat, zum Nachteil so vieler anderer.«
»Alles, was ich hatte, alles, was ich war, ist verloren«, erklärte Suiden. »Meine Ehen wurden aufgelöst, meine Ehefrauen wurden anderen gegeben, und meine Kinder wurden von Fremden aufgezogen.«
Ich betrachtete Suiden verwirrt und erinnerte mich an die Beiläufigkeit, mit der er seine drei Frauen erwähnt hatte, als wir noch in Freston gewesen waren. Offenbar hatte er den Verlust seiner Ehefrauen doch nicht so gleichgültig hingenommen, wie es damals gewirkt hatte. Seine Augen schimmerten genauso hell wie damals, aber jetzt sah ich das Feuer, das in ihnen brannte.
»Mein Sohn und meine Töchter sind Fremde und tragen fremde nom’clatura …«, Suiden hob die Hand zu seinen plötzlich nicht mehr ganz so blassen Clanmalen auf seiner Stirn und um sein rechtes Auge, »die verkünden, dass sie nicht zu meiner Familie gehören, nicht von meinem Blute sind.«
»Auf dem Gesicht Ihrer Hoheit waren keine nom’clatura zu sehen«, wandte Thadro ein.
Das stimmte. Die Haut der Prinzessin war braun und vollkommen glatt gewesen, ohne Tätowierungen oder Makel.
»Es gibt Hexer, die es sehr geschickt verstehen, Clansmale und Tätowierungen zu entfernen«, erwiderte Suiden. »Als ich Tural verließ, habe ich selbst einen von ihnen aufgesucht. Ich glaubte, es würde meine Verfolger von meiner Fährte ablenken, was es auch tat, bis Sro Hexer ihnen die Kunde von meinem veränderten Äußeren verkaufte. Trotzdem hatte ich noch genug Zeit zur Flucht. Vielleicht hat dieser Eunuch von einem Hexer da unten Rajyas Clansmale ebenfalls entfernt.«
Unwillkürlich presste ich die Knie zusammen, während Jeff und Arlis neben mir unbehaglich von einem Fuß auf den anderen traten. Wir musterten Hauptmann Suiden entsetzt. Selbst Laurel legte die Ohren an. Thadro dagegen schien das Schicksal der Hoden des Hexers ebenso wenig zu erschüttern wie Wyln, der nur schwach lächelte.
»In Tural«, fühlte der Zauberer sich genötigt uns Unwissende aufzuklären, »werden die männlichen Sklaven, Lakaien und Bedienstete, die in dem Haushalt einer adligen oder königlichen Jungfrau dienen, kastriert …«
»Er nicht, Lord Wyln«, mischte sich Javes ein. »Er ist noch unversehrt.«
»Das können Sie sehen?« Selbst Thadro wurde von dieser Fähigkeit aus seiner welterfahrenen Nonchalance gerissen.
»Kveta ist nicht der einzige Wolf hier, stimmt das nicht, Ehrenwerter Javes?«, mischte sich Laurel ein.
Javes ließ dunkelrot an.
»Wenn wir also Javes’ Nase glauben wollen«, erklärte Jusson, »ist das Einzige, was unserem Hexer-Gast da unten fehlt, sein Haar. Was wiederum bedeutet, dass dieser Hexer nicht zum Haushalt von Prinzessin Rajya zählt, was uns logischerweise zu der Schlussfolgerung führt, dass er zu Suidens altem Flaggschiff gehört, das mit einer Elitetruppe angekommen ist, die nicht nur das Wappen seiner Familie trägt, sondern ihn auch als ihren Lord und Offizier begrüßt hat.«
»Und außerdem, Sire«, warf Thadro ein, »war Ihre Hoheit ungeachtet des Fehlens ihrer nom’clatura überaus willig, Suiden als ihren Vater anzusprechen.«
»Politik, Sir«, antwortete Suiden dem Lordkommandeur. »Man hat ihr gesagt, was sie zu sagen hat und wem sie es zu sagen hat. Möglicherweise hat man sie sogar darüber aufgeklärt, warum. Was auch immer der Grund sein mag, es war ganz gewiss keine plötzliche Sehnsucht, alte Familienbande aufzufrischen. « Die Augen des Hauptmanns glühten. »Denn es gibt keine, die man auffrischen könnte. Mein casim , mein Haus, wurde vernichtet. Meine Freunde mussten mich verstoßen, um ihre eigenen casimi zu retten. Selbst meine Mutter wagt es nicht, direkt mit mir zu kommunizieren; sie gibt jedem, von dem sie weiß, dass er nach Iversterre reist, mündlich
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