Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
langsamer, bis wir schließlich die Galerie erreichten.
Die meisten Gäste befanden sich bereits in der Halle und erfüllten sie mit einem dezenten Stimmengemurmel, das mit den Musikern wetteiferte, die hinter einem Wandschirm auf der Galerie spielten. Jusson hinderte den Diener daran, uns anzukündigen, und trat an das Geländer. Von dort musterte er die gut gekleidete, mit funkelnden Juwelen geschmückte Menge. Prinzessin Rajya war von ihren Soldaten umringt und wirkte wieder wie ein juwelengeschmückter Vogelschwarm. Sie trug ein Gewand in flammend roter Farbe, hatte sich dazu passend die Fingernägel lackiert und die Lippen geschminkt. Ein Stück abseits standen Kveta und der turalische Hexer. Ich streifte beide nur mit meinem Blick und suchte Berenice in der Menge, doch in diesem Moment schien Jusson sich sattgesehen zu haben. Er nickte dem Lakaien zu, der daraufhin vortrat.
»Seine Majestät, König Jusson IV. von Iversterre!«, verkündete er.
Die Musik verstummte schlagartig, und eine tiefe Stille breitete sich in der Halle aus, als Jusson die Treppe von der Galerie hinabstieg. Die Gäste verbeugten sich oder sanken in einen Hofknicks und neigten die Köpfe. Während ich darauf wartete, ebenfalls hinabzugehen, überlegte ich, wie es sich wohl anfühlte, ständig diese Ehrerbietungen entgegennehmen zu müssen. Und dann fragte ich mich, wie es wohl war, dies einmal erlebt und dann verloren zu haben. Suiden ließ sich jedoch nichts anmerken, als der Diener rief: »Hauptmann Prinz Suiden.« Er zeigte zwar die gleiche Miene wie in einer Schlacht, aber ich vermutete, dass dies nichts mit verlorenen Ehrungen zu tun hatte. Sein Blick war starr auf Prinzessin Rajya gerichtet und wurde von ihr mit entschlossener Miene erwidert. Der Hexer verließ Kvetas Seite und trat lautlos neben die Prinzessin. Sein Blick verharrte einen Moment auf Suiden, bevor er ihn auf mich richtete. Ich hatte ebenfalls mein undurchdringliches Spielergesicht aufgesetzt und erwiderte seinen Blick ausdruckslos, als man mich ankündigte. Ich verlor den Mann jedoch aus den Augen, als ich die Stufen hinunterging.
Lord Idwal und Lady Margriet warteten am Fuß der Treppe, wo sie sich verbeugten und knicksten, als Jusson seinen Fuß auf die letzte Stufe setzte. Sie hatten sich ebenfalls umgezogen. Lord Idwal trug jetzt eine Robe aus mitternachtsblauem Stoff, während Lady Margriet ein silberhelles Gewand angelegt hatte, das wie Sternenlicht funkelte. Das Leuchten wurde von den Diamanten aufgenommen, die sie jetzt statt der Rubine um den Hals und an den Ohren trug. Als sie Jusson zu den Gästen führten, fand ich endlich Berenice, die ihren Eltern folgte. Sie hatte ebenfalls Zeit gefunden, sich umzuziehen, aber ihr braunes Kleid war ebenso schlicht, wie es das rosafarbene gewesen war. Ich runzelte die Stirn und fragte mich, wie Lady Margriet mit ihrem exquisiten Geschmack solch hässliche Kleider an ihrer Tochter ertragen konnte.
»Sie können sie entweder den ganzen Abend anstarren oder zu ihr gehen und mit ihr reden?«
Ich drehte mich um. Hauptmann Javes stand neben mir.
»Ich bin nicht sicher, ob ich das möchte, Sir …« Ich verstummte vor Schreck über das, was ich gerade zugegeben hatte, und vor allem, wo ich das getan hatte. Hastig sah ich mich um, aber das Stimmengemurmel vertrieb meine Sorge, dass mich jemand belauscht haben könnte.
Javes grinste mich dümmlich an. »Wenn man eine Jungfrau unter den Augen ihrer Eltern und Gäste beim Flanieren vor dem Dinner begleitet, wird man dafür nicht verbannt.« Er dachte einen Moment nach. »Für gewöhnlich.«
»Ha, ha, Sir«, erwiderte ich.
Javes’ aufblitzendes Lächeln wirkte einen Moment aufrichtig, erlosch jedoch rasch. »Mir ist klar, dass das alles ziemlich plötzlich für Sie kommt, Hase«, sagte er leise. »Und ich kann mir auch vorstellen, dass Sie Berenice nicht von sich aus als Braut gewählt hätten.«
Ich wollte gerade zustimmen, als ich mich an Berenice erinnerte, an ihr vom Dampf unserer Bäder gerötetes Gesicht, an ihren eleganten Rücken, ihre fröhlich funkelnden Augen, mit denen sie mich angelacht hatte. Javes jedoch interpretierte mein Schweigen als Zustimmung.
»Angesichts ihrer Eltern entspricht sie auch nicht der Frau, die ich erwartet hätte«, meinte er. »Trotzdem scheint sie ein nettes Mädchen zu sein, dazu kompetent und intelligent und mit einem Sinn für Humor. Das ist weit wichtiger als Schönheit …«
»Das stimmt allerdings. Und ich bin immer wieder
Weitere Kostenlose Bücher