Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Rajya. Ihre Zähne schimmerten, als sie lächelte. »Und ich habe keine Ahnung, wen Sie gerade über die Brüstung gejagt haben. Das könnte auch jemand gewesen sein, der mir nachspioniert hat.«
Das war tatsächlich gut möglich, und ich musste mich zusammenreißen, damit man mir diesen Gedanken nicht vom Gesicht ablesen konnte.
»Eure Unwissenheit kommt wirklich sehr gelegen, Euer Hoheit«, erwiderte Berenice.
Prinzessin Rajya zuckte erneut mit den Schultern. »Nicht sonderlich. Denn wäre diese Person nicht entdeckt worden, müsste ich jetzt nicht Rechenschaft dafür ablegen, dass ich frische Luft brauche, um mich zu entspannen und über die Ereignisse des Tages nachdenken zu können.«
»Es war wirklich ein sehr ereignisreicher Tag, habe ich recht?«, fragte Berenice. »Zum Beispiel die lange verschollen geglaubte Familie, die plötzlich zu jedermanns Verblüffung aus dem Nichts auftaucht.« Sie packte das Teegeschirr in einen Korb. »Und der morgige Tag verspricht ebenso überraschend und ereignisreich zu werden. Wir sollten uns in unsere Gemächer zurückziehen, weil er sehr früh beginnen wird.«
»Wenn dieser Tag dem heutigen Abend ähneln sollte, verspricht er jedenfalls ausgesprochen amüsant zu werden«, antwortete Prinzessin Rajya. Ihr Lächeln schien etwas härter zu werden.
Berenice warf der Prinzessin einen ernsten Blick zu. »Oh, das hoffe ich doch sehr, Euer Hoheit. Es ist schließlich unser Wunsch, dass sich unsere Gäste amüsieren, alle Gäste, die Eingeladenen und die, die man nicht erwartet hat.«
Ich war unter vier Schwestern groß geworden und verstand genug von Frauen, um meine Miene liebenswürdig neutral zu halten. Offenbar besaß Munir ebenfalls einen gesunden Respekt für das schöne Geschlecht, weil sein Gesicht ebenfalls vollkommen ausdruckslos blieb. Berenice nahm eine frische Kerze aus dem Korb, zündete sie an der alten an und stellte sie auf ihren Platz. Einer ihrer Bediensteten hatte die Schoßdecken zusammengewickelt und nahm jetzt den Korb hoch, während der andere Deckel in der Hand hielt und Anstalten machte, die Feuerkörbe damit zuzudecken. Bevor er das tun konnte, hielt Prinzessin Rajya ihn auf.
»Bitte lassen Sie sie brennen«, sagte Ihre Hoheit. »Trotz Ihrer Pläne für morgen möchte ich mich noch nicht zurückziehen, sondern noch eine Weile hierbleiben.« Sie drehte sich zu mir herum. »Würden Sie mir Gesellschaft leisten, Sro Hase?«
Berenice warf erst der Prinzessin und dann mir einen scharfen Blick zu. In ihren Augen spiegelten sich die Flammen der Feuerkörbe. Aber ich schüttelte bereits ablehnend den Kopf. Ich war tatsächlich unter vier Schwestern groß geworden, und meine Mutter hatte sicherlich keine Dummköpfe erzogen. »Ich danke Euch für Eure freundliche Einladung, Euer Hoheit, aber ich begleite Lady Berenice …«
Ich verstummte, als sich schnelle Schritte näherten und wir uns alle zu der Tür umdrehten. Einen Augenblick später tauchte eine Burgbedienstete dort auf. »Mylady!«, stieß sie keuchend hervor und presste die Hand in ihre offenbar schmerzende Seite, während sie knickste. Sie schwankte und hielt sich mit der anderen Hand am Türrahmen fest. »Ihr Vater, er hat Sie gesucht und wollte wissen, wie es Ihnen geht. Wir haben ihm gesagt, dass Sie sich noch um eine unerledigte Aufgabe kümmern wollten. Er sagte, er würde zurückkommen …«
Berenice hatte wie angewurzelt dagestanden und mit zunehmender Bestürzung zugehört, doch bei den letzten Worten der Dienstmagd kam wieder Leben in sie. Sie nahm rasch die Kerze, überzeugte sich kurz davon, dass die Bündel mit den Kerzen und die Körbe verschlossen waren, und eilte dann zu der Tür und der keuchenden Dienerin. Ich wollte sie begleiten, aber sie wirbelte herum und hob eine Hand.
»Nein, kommen Sie nicht mit mir. Sie warten besser eine Weile hier.« Berenice knickste flüchtig. »Wir sehen uns morgen früh, Mylord. Gute Nacht.«
Dann verschwand sie. Prinzessin Rajya lachte leise. »Wie es aussieht, verbringen wir also doch den Rest dieser wundervollen Nacht miteinander, Sro Hase.«
»Es sieht so aus«, räumte ich ein und fragte mich, wie viel Vorsprung ich Berenice geben sollte. Und ob ihr Vater vielleicht durch die Burg schlenderte und nach ihr suchte.
Prinzessin Rajya schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück, und ihr zu einem raffinierten Kranz gebundenes Haar wurde sichtbar. Es schimmerte im Licht des Feuers, ebenso wie ihre weiche, dunkle und glatte Haut. Munir stand hinter
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