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Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)

Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)

Titel: Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Freeman
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der Prinzessin und schlug ebenfalls seine Kapuze zurück. Ich betrachtete die Tätowierungen auf seinem kahlen Schädel, während ich überlegte, ob es Clansmale waren oder ob sie etwas mit seiner Gabe zu tun hatten. Im letzten Fall waren sie jedenfalls vollkommen anders als die Runen und Symbole, die ich kannte. Sie schienen in weichen Linien ineinanderzufließen, und ihre Kurven und Knoten fügten sich perfekt zusammen. Als ich meinen Blick senkte, bemerkte ich, dass der Hexer seine Augen ebenfalls niederschlug; offenbar hatte er mich ebenso gemustert wie ich ihn, mich und meine neben mir schwebenden Luft- und Feuerkugeln. Ich widerstand dem überraschend starken Drang, sie näher zu mir zu holen, aber offenbar konnte man mir dieses Bedürfnis am Gesicht ablesen. Munirs dunkle Augen zogen sich amüsiert zusammen, und er verbeugte sich leicht.
    »Wie sagt man doch gleich, Sro Hase? Ich entbiete Ihnen einen guten Abend.«
    »Guten Abend, Lord Munir«, antwortete ich.
    »Wie höflich er ist.« Prinzessin Rajya lenkte mit ihrer Bemerkung meine Aufmerksamkeit auf sich.
    »Gewiss, Euer Hoheit.«
    Die Prinzessin lächelte erneut, und ihre Augen zogen sich vor Belustigung zu schmalen Schlitzen zusammen. »Ihre Mutter muss eine schrecklich starke Frau sein.«
    »Alle Frauen aus meiner Familie sind stark«, antwortete ich und ließ mir meine Überraschung nicht anmerken, dass Prinzessin Rajya offen zugab, mein Gespräch mit Berenice belauscht zu haben.
    Das Lächeln der Prinzessin wurde ironisch. »Sie sollten die Frauen meiner Familie kennenlernen, Sro Hase.« Der Wind schlug um und trug mir den Duft ihres eleganten Parfums zu, als sie an die Zinnen der Promenade trat. Groskin, Ryson und ich folgten ihr. Groskin und Ryson traten ebenfalls an die Zinnen, blickten hinunter und dann zum Hafen hinüber. Prinzessin Rajya ignorierte sie. »Doch so stark sie auch sind, das Meer ist stärker«, murmelte sie. »Ich liebe es zu jeder Zeit, besonders jedoch in der Nacht, wenn der Mond scheint, die Sterne leuchten und dunkle Mysterien in der Luft liegen.«
    Ich dachte an meinen Kampf mit den Dämonen zurück, als ich ein Avatar des Wasseraspekts geworden und an die Grenzen des Unendlichen gestoßen war. »Es ist weit unermesslicher, als wir glauben, und verbirgt weit mehr, als wir uns bewusst sind«, erwiderte ich leise und erschauerte unwillkürlich.
    Munir warf mir einen scharfen Blick zu, die Prinzessin jedoch starrte weiter blicklos in die Nacht hinaus. »Ich bin an der Küste aufgewachsen, und das Geräusch der Brandung ist mir ebenso vertraut wie die Umarmung meiner Mutter. Eines Tages werde ich meine Mutter verlieren, aber das Meer zu verlieren …« Sie schüttelte den Kopf. »Es würde mich töten, wenn ich irgendwo leben müsste, wo ich es nicht sehen, nicht hören, nicht riechen, schmecken oder fühlen könnte.«
    Ich sagte nichts. Früher einmal hatte ich den Weiler, in dem der Hof meiner Eltern lag, als die Summe meines Lebens empfunden. Später lernte ich, dass mein Heim dort war, wo ich meine Zelte aufschlug, und mein Herz reiste immer mit mir, ganz gleich wie sehr ich auch versuchte, es hinter mir zu lassen.
    »Ihre Familie hat einen Sohn dem Meer geschenkt, ist das richtig?«, fragte Prinzessin Rajya. »Sagte Sra Berenice nicht, dass Ihr Onkel ein Seemann wäre?«
    »Ja, Euer Hoheit. Der Bruder meines Vaters, Vizeadmiral Havram ibn Chause.«
    »Diesen Namen habe ich schon einmal gehört«, meinte Prinzessin Rajya. »Hätte ich einen Sohn, würde ich ihn auch dem Meer schenken. Wenn ich als Tochter eines Schifffahrts casim geboren worden wäre, hätte meine Weiblichkeit keine Rolle gespielt. Aber nichts von beidem ist eingetreten. Deshalb kann ich mein Verlangen nicht befriedigen, sondern werde mit Brosamen abgespeist, statt es stillen zu können.« Sie holte tief Luft und atmete aus. »Ich weiß wirklich nicht, wie es ihm gelungen ist, bei Verstand zu bleiben.«
    »Hoheit?« Die plötzliche Wendung in unserem Gespräch überraschte mich.
    »Ich rede von meinem Vater«, erklärte die Prinzessin. »Er hat zwanzig Jahre in einer Garnison verbracht, von der Sie selbst sagten, dass sie fernab der Welt wäre. Zwanzig Jahre an einem Ort, der so weit vom Meer entfernt liegt.«
    »Seine Majestät wollte Hauptmann Suiden in Sicherheit wissen«, erklärte ich.
    »Sicher?«, erwiderte Prinzessin Rajya. »Ein Verlies ist sicher. Das Grab ist sehr sicher. Aber sowohl in dem einen als auch in dem anderen verwelkt man und siecht

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